: Stephen King
: Schlaflos - Insomnia Roman
: Heyne
: 9783641053932
: 1
: CHF 8.00
:
: Spannung
: German
: 1040
: DRM
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Das Grauen kehrt nach Derry zurück ...

Ralph schläft immer weniger. Von Tag zu Tag wacht er früher auf. Bei seinen nächtlichen Spaziergängen durch Derry sieht er unheimliche Dinge, die er zunächst für Halluzinationen hält, die ihn aber zunehmend an seinem Verstand zweifeln lassen. Bis er erkennt dass er in Ereignisse von kosmischer Bedeutung verstrickt ist und das Leben aller Einwohner Derrys allein von ihm abhängt ...

Ausgezeichnet mit dem 'Bram Stoker Award'.

»Am Rande der Vorstellungskraft - Romanliteratur in ihrer Vollendung.«The Times

Stephen King, 1947 in Portland, Maine, geboren, ist einer der erfolgreichsten amerikanischen Schriftsteller. Bislang haben sich seine Bücher weltweit über 400 Millionen Mal in mehr als 50 Sprachen verkauft. Für sein Werk bekam er zahlreiche Preise, darunter 2003 den Sonderpreis der National Book Foundation für sein Lebenswerk und 2015 mit dem Edgar Allan Poe Award den bedeutendsten kriminalliterarischen Preis fürMr. Mercedes. 2015 ehrte Präsident Barack Obama ihn zudem mit der National Medal of Arts. 2018 erhielt er den PEN America Literary Service Award für sein Wirken, gegen jedwede Art von Unterdrückung aufzubegehren und die hohen Werte der Humanität zu verteidigen.

Seine Werke erscheinen im Heyne-Verlag.

Kapitel 11 (S. 270-272)

1

Das Derry der Altsemester war nicht die einzige geheime Stadt, die unauffällig innerhalb des Ortes existierte, den Ralph Roberts immer als seine Heimat betrachtet hatte; als Junge, der in Mary Mead aufgewachsen war, wo heute die verschiedenen Old-Cape-Cod-Häuserkomplexe standen, hatte Ralph herausgefunden, dass es neben dem Derry der Erwachsenen ein Derry gab, das ausschließlich den Kindern gehörte.

Da waren die verlassenen Wanderarbeiter-Dschungel beim Eisenbahndepot in der Nähe der Neibolt Street, wo man manchmal Tomatensuppendosen finden konnte, die halb mit Mulligatawny-Hühnercurry-Eintopf gefüllt waren, und Flaschen mit noch einem oder zwei Schluck Bier darin; da war die Gasse hinter dem Aladdin Theater, wo Zigaretten Marke Bull Durham geraucht und manchmal Black Cat Kracher gezündet wurden; da war die große alte Ulme, dieüber den Fluss hing, wo Dutzende Mädchen und Jungs den Kopfsprung ins Wasser gelernt hatten; da waren die hundert (wahrscheinlich eher zweihundert) verschlungenen Pfade, die durch die Barrens führten, ein zugewachsenes Tal, das sich durch die Stadtmitte erstreckte wie eine schlecht verheilte Narbe.

Diese geheimen Straßen und versteckten Highways lagen allesamt unter der Wahrnehmungsebene der Erwachsenen und wurden infolgedessen von ihnenübersehen… aber es hatte Ausnahmen gegeben. Eine war ein Polizist namens Aloysius Nell gewesen - für Generationen Kinder von Derry nur Mr. Nell -, und erst jetzt, als er zum Picknickplatz in der Nähe der Stelle ging, wo die Harris Avenue zur Harris Avenue Extension wurde,überlegte sich Ralph, dass Chris Nell wahrscheinlich der Sohn des alten Mr. Nell war… aber das konnte nicht ganz stimmen, denn der Polizist, den Ralph zum ersten Mal in Begleitung von John Leydecker gesehen hatte, war nicht alt genug, dass er der Sohn des alten Mr. Nell sein konnte. Eher sein Enkel.

Nach seiner Pension war Ralph eine zweite geheime Stadt aufgefallen - eine, die den alten Leuten gehörte -, aber erst nach Carols Tod war ihm wirklich bewusst geworden, dass auch er zu deren Einwohnern gehörte. Zu diesem Zeitpunkt hatte er eine versunkene Geografie entdeckt, die unheimlicheÄhnlichkeit mit jener aus seiner Kindheit hatte, ein Ort, welcher von der Schnell-zur-Arbeit-Schnell-zum-Spiel-Welt, die geschäftig ringsum brodelte, weitgehend ignoriert wurde.

Das Derry der Altsemesterüberlappte noch eine dritte geheime Stadt: das Derry der Verdammten, ein grässlicher Ort, der hauptsächlich von Pennern, Ausreißern und Irren bewohnt wurde, die man nicht einsperren konnte. Auf dem Picknickgelände hatte Lafayette Chapin Ralph mit einer der wichtigstenÜberlegungen des Lebens vertraut gemacht… das heißt, nachdem man selbst ein redlicher bona fide Altsemester geworden war. DieseÜberlegung betraf das»wirkliche Leben«.

Das Thema war zur Sprache gekommen, als die beiden Männer sich gerade kennengelernt hatten. Ralph hatte Faye gefragt, was er gemacht hätte, bevor er mit seinen Ausflügen zu dem Picknickgelände begann.»Nun, in meinem wirklichen Leben war ich Zimmermann und Tischler«, hatte Chapin geantwortet und seine verbliebenen Zähne zu einem breiten Grinsen entblößt,»aber das alles ist seit fast zehn Jahren zu Ende.« Das klingt, hatte Ralph gedacht, wie er sich noch genau erinnerte, als wäre die Pensionierung eine Art Vampirkuss, der diejenigen, die ihnüberlebten, in die Welt der Untoten zog.