1. KAPITEL
Zusammengekauert in der Badewanne, lauschte Carmel Rourke angespannt auf die Schritte im Schlafzimmer nebenan, wobei sie versuchte, so wenig wie möglich zu atmen. Wenn es ihr jetzt noch gelänge, das Pochen ihres Herzens zu dämpfen, das ihr wie Paukenschläge in den Ohren klang, konnte sie es vielleicht vermeiden, die Weihnachtstage in einer Gefängniszelle zu verbringen.
Wie hatte sie es nur geschafft, im Bad eines ihr völlig Fremden im „Ritz“ zu landen?
Es war alles Louisas Schuld. Typisch für ihre sogenannte Freundin, sich einen völlig irrwitzigen Plan auszudenken, der Louisa eine Beförderung und vielleicht sogar den Pulitzer-Preis einbrachte, wenn er gelänge – und Mel ins Gefängnis, wenn nicht. Es war eben nicht ratsam, auf eine Frau zu hören, die wie ein Preisboxer essen konnte und trotzdem gertenschlank blieb. Solche Menschen mussten auch sonst nie für ihre Verfehlungen büßen. Wohingegen Mel einen Schokoriegel nur anzusehen brauchte, und schon saß er ihr auf den Hüften.
Die Schritte nebenan hatten plötzlich aufgehört. Mel hielt den Atem an. Sie hörte das gedämpfte Knarren des Bettes und dann die Erkennungsmelodie der Zweiundzwanzig-Uhr-Nachrichten. Verdammt, jetzt würde sie nicht mehr hören können, ob der Typ ins Bad kam oder nicht. Höchste Zeit zu beten.
Bitte, lass ihn nicht hereinkommen. Bitte, lass ihn nicht hereinkommen.
Mel wiederholte die Worte in Gedanken wie ein Mantra, während ihr die Schweißtropfen zwischen den Brüsten hinunterrannen. Bluse und Rock kamen ihr mit einemmal viel zu warm vor, und ihr knurrender Magen erinnerte sie daran, dass sie seit einem Joghurt zu Mittag nichts mehr gegessen hatte. Na toll, wäre doch typisch für ihr Pech, wenn sie hier jetzt vor Hunger in Ohnmacht fallen würde!
Mel lehnte den Kopf zurück gegen die Fliesen, blickte zu dem silbrig glänzenden Duschkopf hoch und versuchte, noch einmal genau nachzuvollziehen, wie sie überhaupt in diese Klemme geraten war … sodass sie nun einer unvorstellbaren Demütigung und der fast sicheren Verhaftung ins Auge blicken musste.
Begonnen hatte alles bei der Buchvorstellung, als Louisa den „Supertyp“ entdeckt hatte.
„Ich verwette meinen gesamten Besitz darauf, dass er es ist“, flüsterte Louisa Mel ins Ohr, wobei sie gleichzeitig ihr drittes Sandwich vertilgte.
„Er ist es nicht“, widersprach Mel, während der Manager des Buchladens vorne vor der beachtlichen Menschenmenge immer noch in Lobeshymnen schwelgte über den jüngsten, zukünftigen Bestseller aus der Feder des geheimnisvollen Krimiautors, der nur unter dem Namen Devlin bekannt war. „Devlin meidet jegliche Publicity. Er müsste völlig verrückt sein, inkognito bei seiner eigenen Buchvorstellung aufzutauchen.“ In den letzten fünf Jahren war Devlin weltweit zum Bestseller-Autor seines Genres avanciert. Je mehr seine Verkaufszahlen stiegen, desto mehr überschlug sich die Presse in Spekulationen über seine wahre Identität. Louisa gehörte zu den