1. KAPITEL
„Komm sofort zurück, Cass Carter!“
Dana Malone sauste ihrer davoneilenden Geschäftspartnerin hinterher und stolperte dabei fast über ein Baby, das hinter einem lebensgroßen Plüschbernhardiner hervorkrabbelte. Sie fing sich wieder und rannte weiter.
„Warum soll ausgerechnet ich mich darum kümmern? – Au!“
„Pass auf den Kinderhochstuhl auf“, warnte Cass. Sie war blond, langbeinig und trug einen kurzen Jeansrock. Mit Unschuldsmiene streichelte sie den kleinen Babykopf, der aus ihrem Tragetuch hervorlugte.
„Danke“, grummelte Dana und rieb sich die Hüfte. Sie bahnte sich ihren Weg zwischen Krippen, Laufställen, Puppenhäusern und viel zu vielen Regalen mit Secondhand-Kinderkleidung. Ihre beiden Geschäftspartnerinnen konnten sich, beneidenswert schlank wie sie waren, in dem Chaos besser bewegen als sie. Für Dana war der vollgestopfte Laden eine einzige Gefahrenzone. Und gefährlich war auch Cass’ Bitte.
„Hast du den Verstand verloren? Ich kann unsere neuen Geschäftsräume nicht allein aussuchen. Was verstehe ich schon von Immobilien?“
„Wir sind hier in Albuquerque“, erwiderte Cass und verschwand in dem winzigen Büro. „Nicht in Manhattan!“ Sie quetschte sich an ihrem Schreibtisch vorbei, der mit Papierkram und Stapeln neu eingetroffener Kinderkleidung übersät war, und fegte mit einem Schwung drei kleine Stoffpuppen aus dem Schaukelstuhl in der Ecke. „Es kann doch nicht so schwer sein, sich für das eine oder andere Schaufenster in einem Einkaufszentrum zu entscheiden! Hier, kannst du Jason mal kurz nehmen?“
Einen Augenblick lang spürte Dana das Gewicht des einen Monat alten Säuglings – und den Schmerz, den die Berührung in ihr auslöste. Doch schon streckte Cass, die nun im Schaukelstuhl saß, die Hände wieder nach ihrem Kind aus. Dana gönnte sich eine Extrasekunde Babyduft, bevor sie den Kleinen weitergab.
Als Cass ihn an die Brust legte, fing Jason zufrieden an zu saugen. „Cameron hat schon ein paar Läden herausgesucht“, erklärte sie ihrer Freundin. „Du musst nur noch die ansehen, die infrage kommen.“
Ein Schweißtropfen bildete sich in Danas Halsbeuge und lief in ihr Dekolleté. „Ich dachte nur, wir würden gemeinsam suchen.“
„Ich weiß, Dana, aber ich bin völlig erledigt. Und Blake mag es ohnehin nicht, dass ich so früh wieder zu arbeiten angefangen habe. Außerdem läuft unser Vertrag nächsten Monat aus, und unser Laden platzt aus allen Nähten.“
„Was ist mit Mercy? Warum macht sie das nicht?“
„Warum mache ich was nicht?“ Die dritte Besitzerin des LadensGreat Expectations erschien in der Bürotür. Ihre feuerroten Fingernägel stachen von einem geblümten Rock ab, der so winzig war, dass Dana ihn nicht mal mit zwölf hätte tragen können.
„Einen neuen Laden suchen“, erwiderte Dana. „Du bist darin bestimmt viel besser als ich.“
Mercedes Zamora quetschte sich zu den beiden anderen in das winzige Büro. „Vor allem bin ich besser darin, fünf Kundinnen gleichzeitig zu bedienen. Du verlierst schon bei zweien die Nerven.“
„Tu ich nicht!“
Sie lachten.
„Okay, vielleicht werde ich ein bisschen nervös“, räumte Dana ein.
„Meine Liebe“, sagte Mercy in freundschaftlichem Ton, „du fängst an zu stottern.“
„Und lässt alles fallen“, ergänzte Cass.
„Und …“
„Okay, okay, ich habe verstanden!“
Sie hatten ja recht. Auch wenn Excel-Tabellen und dicke Kataloge sie nicht schrecken konnten, war es mit Danas Gelassenheit nicht weit her, wenn es stressig wurde. Selbst nach fünf Jahren im Geschäft.
„Er erwartet deinen Anruf“, sagte Cass.
„Wer?“
„Cameron.“
Sie seufzte. Im selben Moment klingelten die Glöckchen über der Eingangstür. Mit wehenden Locken rauschte Mercy hinaus in den Laden. Als Dana das Grinsen in Cass’ Gesicht sah, wurde ihr mulmig zumute.
„Hast du Cameron eigentlich schon ei