: Leena Lehtolainen
: Die Leibwächterin Ein Finnland-Krimi
: Rowohlt Verlag Gmbh
: 9783644304413
: Die Leibwächterin
: 1
: CHF 10.00
:
: Krimis, Thriller, Spionage
: German
: 384
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Die junge Hilja Ilveskero wurde in New York zur Leibwächterin ausgebildet und arbeitet in Finnland für verschiedene Auftraggeberinnen. Momentan schützt sie Anita Nuutinen, eine Frau, die in Moskau Immobiliengeschäfte betreibt. Hilja geht die arrogante Frau auf die Nerven, und schließlich kündigt sie ihrer Auftraggeberin in einem Anfall von blinder Wut fristlos. Kurz darauf wird Hilja brutal zusammengeschlagen. Als sie Stunden später wieder zu sich kommt, hält sie Anitas Halstuch in der Hand, hat aber keine Erinnerung an das, was geschehen ist. Wenig später erfährt sie, dass Anita Nuutinen in der Nacht erschossen wurde. Und dass sie selbst des Mordes verdächtigt wird. Hilja ist selbst nicht sicher, ob sie die Täterin ist, und flieht zurück nach Finnland ...

Leena Lehtolainen, 1964 geboren, lebt und arbeitet als Literaturwissenschaftlerin, Kritikerin und Autorin in Degerby, westlich von Helsinki. Sie ist eine der auch international erfolgreichsten finnischen Schriftstellerinnen, ihre Ermittlerin Maria Kallio gilt nicht nur als eine Art Kultfigur der finnischen Krimiszene, sondern erfreut sich auch bei deutschen Leserinnen und Lesern seit dem Erscheinen des ersten Bandes der Reihe 1994 ungebrochener Beliebtheit.

2


Die schreiende Frau war eine Empfangsdame des Hotels, die mir erklärte, die Frist zum Auschecken sei schon vor zweieinhalb Stunden abgelaufen und ich müsse sowohl für die überzähligen Stunden als auch für die Reinigung des Fußbodens, auf den ich mich übergeben hatte, einen Zuschlag zahlen. Ich versprach, das Zimmer spätestens um sechs Uhr zu räumen und alles zu bezahlen; ich wollte die Frau so schnell wie möglich loswerden und meine Gedanken sortieren. Mir war schwindlig und übel, aber offenbar hatte ich nichts mehr im Magen, was hochkommen konnte. Als die Frau nach einer letzten Tirade über die versoffenen Finnen endlich verschwand, stand ich auf. Ich hatte entsetzlichen Durst. Nach einigem Überlegen erinnerte ich mich, dass ich am Tag zuvor eine Cola und eine Literflasche Mineralwasser gekauft und in meinen Rucksack gesteckt hatte. Und der Rucksack war … dort, an der Wand. War auch alles andere noch vorhanden? Ich hatte in meinen Kleidern geschlafen, die Schuhe und die Lederjacke lagen auf dem Fußboden. Mein Handy steckte in der Seitentasche der Lederjacke, die Geldbörse in der Brusttasche. Sie enthielt die wenigen Rubel, die mir geblieben waren, nachdem ich das Bier bezahlt hatte. Meine Waffe lag unter der Bettdecke. Ich war also nicht ausgeraubt worden.

Ich trank Mineralwasser, nahm eine Tablette gegen die Übelkeit und zwei gegen die Kopfschmerzen und tastete vorsichtig meinen Kopf ab. Nichts deutete darauf hin, dass man mich niedergeschlagen hatte. Als Nächstes zog ich mich aus, stellte mich vor den Spiegel und inspizierte meinen Körper. Die Knie waren leicht verschorft, wie nach einem Sturz, aber meine Handflächen waren unversehrt. Zwischen den Beinen spürte ich keinen Schmerz, entdeckte auch keine Prellungen, die den Verdacht auf Vergewaltigung geweckt hätten. Als ich unter der Dusche stand, erinnerte ich mich, dass ich zu den Blinis einen Wodka und zwei Glas litauisches Starkbier und in der Bar Swoboda noch ein Bier getrunken hatte. Wenn in dem Bier, das ich beim Essen zu mir genommen hatte, ein Betäubungsmittel gewesen wäre, hätte es weitaus früher wirken müssen, und das Bier in der Bar hatte ich behütet wie eine Mutter ihr Baby. Oder? Als Anita auf die Straße getreten war, hatte ich einen Moment lang nur auf sie geachtet. Hatte es einer der drei Männer, die mich umringten, fertiggebracht, mir etwas ins Glas zu träufeln, bevor ich den letzten Schluck getrunken hatte? Fluchend wickelte ich mich in das dünne Handtuch, das gerade breit genug war, um meinen Körper vom Brustansatz bis zum Po zu bedecken. Dann zog ich die Vorhänge zu und rief Anita am Handy an. Keine Antwort.

Hatte ich mit ihr gesprochen? Hatten wir uns ausgesöhnt? Wie war ich ins Hotel gekommen? Vergeblich durchforstete ich mein Gedächtnis. Ich rief in Anitas Hotelzimmer an, doch auch dort meldete sie sich nicht. An der Rezeption sagte man mir lediglich, Frau Nuutinen logiere noch im Haus; weitere Auskünfte könne man mir nicht geben.

Wer wusste etwas über Anitas Angelegenheiten? Ihre Sachwalterin Maja Petrowa? Der Taxifahrer Sergej Schabalin? Petrowas Telefonnummer kannte ich nicht, und als ich Schabalin anrief, hörte ich das Besetztzeichen. Der Ton war unerträglich, er bohrte sich geradezu in meinen Schädel. Ich musste mich noch einmal aufs Bett legen und zog auch die Decke über mich, obwohl sie ebenso schlecht roch wie meine schmutzigen Kleider. Die Duschfrische war im Nu verflogen. Als ich mich umdrehte, strich mir etwas Weiches über die Füße. Ich griff danach, spürte glatte Seide. In meinem Bett lag Anitas goldfarbenes Gucci-Tuch, das sie oft verwendete, wenn sie Kleidung in neutralen Farben trug. Wie war es bei mir gelandet?

Panik erfass