Anthroposophische Medizin und Wissenschaft Beiträge zu einer ganzheitlichen medizinischen Anthropologie
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Peter Heusser
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Anthroposophische Medizin und Wissenschaft Beiträge zu einer ganzheitlichen medizinischen Anthropologie
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Schattauer GmbH, Verlag für Medizin und Naturwissenschaften
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9783794566389
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1
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CHF 45.20
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Ganzheitsmedizin
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German
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274
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Wasserzeichen/DRM
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PC/MAC/eReader/Tablet
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PDF
Anthroposophische und naturwissenschaftliche Konzepte in der Medizin - gegen- oder miteinander? Zahlreiche Studien belegen: Der Wunsch nach komplementären medizinischen Methoden wächst. Oft suchen die Patienten hier, was sie in der Schulmedizin vermissen. Werden dort die Phänomene von Leben, Seele und Geist ursächlich auf die Wechselwirkung von Molekülen zurückgeführt, machen komplementärmedizinische Richtungen auch immaterielle Wirkprinzipien geltend. Daran entzünden sich viele Kontroversen - und eine Zusammenführung beider Sichtweisen fehlt bisher weitgehend. Peter Heusser zeigt am Beispiel der anthroposophischen Medizin, dass eine zeitgemäße, wissenschaftlich belegbare Gesamtsicht des Menschen möglich ist, die materielle und immaterielle Faktoren gleichermaßen anerkennt. Anhand von Rudolf Steiners erkenntniswissenschaftlichen Schriften und Goethes naturwissenschaftlicher Erkenntnismethode beleuchtet er Grundkonzepte der modernen Medizin und weist auf: Eine geisteswissenschaftliche Erweiterung der Naturwissenschaft ist unumgänglich. Seit Jahren mit großem Einsatz in der anthroposophischen Medizin und universitären Lehre und Forschung tätig, zeigt der Autor, wie eine in sich differenzierte, aber einheitliche medizinische Anthropologie und eine integrativmedizinische Therapieforschung im Sinne einer Evidenz-basierten Medizin ausgebaut werden können, um dem berechtigten Bedürfnis der Patienten nach umfassender Betreuung gerecht zu werden. Das Buch richtet sich an alle Ärzte und Wissenschaftler, insbesondere mit Schwerpunkt Anthroposophische Medizin, Komplementärmedizin und Integrative Medizin sowie Wissenschaftstheorie und Medizingeschichte.
5 Von der Anthropologie zur Anthroposophie
(S. 175-176)
5.1 Die Frage nach der Realität und Erkennbarkeit geistiger Wirkprinzipien
Im Kapitel 2 (S. 9 ff.) wurde gezeigt, dass nicht etwa nur die Philosophie oder andere Geisteswissenschaften, sondern auch die Naturwissenschaft rein Geistiges gut kennt, nämlich die im Denken zu Tage geförderten Gesetzmäßigkeiten der Natur. Und es wurde mit empirischer Begründung dargelegt, dass dieser Geist als objektiv gelten kann, und zwar sowohl für die innerliche, intellektuelle Anschauung, wie auch durch die Tatsache, dass dieäußere Natur den entsprechenden Naturgesetzen objektiv unterworfen ist.
Deshalb wurde das Naturgesetz nicht nur als ein Abstraktum im Geist des Subjekts aufgefasst, sondern als ein realer Bestandteil der Wirklichkeit selbst. Im Weiteren wurde argumentiert, dass diese Wirklichkeit eine wirkende sein muss, ansonsten die Erscheinungen nicht tatsächlich diesem Gesetzmäßigen unterworfen sein könnte. In diesem Sinn wurde im Anschluss an den klassischen und modernen Universalienrealismus sowie insbesondere an Goethes und Steiners Erkenntnis- und Wirklichkeitsauffassung der empirische ontologische Idealismus vertreten. Aber mit dieser Auffassung verbindet sich ein entscheidendes Problem.
Denn zunächst kennt die Wissenschaft keinen„wirkenden“ Geist, sondern nur den zwar reinen, aber abstrakten Geist der menschlichen Gedanken; und da dieser aufgrund nominalistischer Interpretation zumeist für etwas bloß Subjektives oder gar für ein Produkt des materiellen Gehirns gehalten wird, das mit der objektiven Welt nichts zu schaffen hat, kann für gewöhnlich in der Wissenschaft keine Rede davon sein, ein„Geistiges“ in der Natur, im Kosmos oder im Menschen zu suchen und anerkennen zu wollen.„Geist“ wird deswegen dem Glauben, irrationalen Fühlen oder spekulativen Wähnenüberlassen.
Doch der„Geist“, von dem hier die Rede ist, ist das Hellste, Klarste und Genaueste, das ein Wissenschaftlerüberhaupt erleben kann; und erst dieser Geist macht die Wissenschaft zur Wissenschaft: die vollständig einsehbare ideelle Gesetzmäßigkeit. Das gilt für alle der Wissenschaft zugänglichen Gesetzmäßigkeiten, auf allen emergenten Ebenen des Materiellen, der Lebenserscheinungen der Organismen, der psychischen Phänomene oder der geistigen Wirksamkeit des Menschen.
Es gilt auch für die Statistik, d.h. für Gesetze, die sich nicht mit vorhersehbarer Eindeutigkeit, sondern nur mit statistischer Wahrscheinlichkeit verwirklichen, ist doch das Mathematisch-Statistische selbst ideelle Gesetzmäßigkeit und nur als eine solche einsehbar. Von diesem Gesichtspunkt aus ist es der Geist, durch den der Wissenschaftler in die Natur wirklich hineinschaut. Ohne diesen Geist kann er nur auf ihreäußere Erscheinung hinschauen. So ist auch Goethes bekannte Opposition gegen Albrecht von Haller zu verstehen, wenn er dessen Gedicht kritisiert:
Cover
1
Inhalt
10
1 Einleitung
12
1.1 Zusammenfassung
18
2 Erkennen und Wirklichkeit
20
2.1 Erkenntniswissenschaft: Erkennen des Erkennens
20
2.2 Erfahrung
24
2.3 Denken als Erfahrungstatsache
30
2.4 Objektive empirische Erkenntnis
34
2.5 Wissenschaft und Wirklichkeit
44
2.6 Objektiver ontologischer Idealismus
47
2.7 Zusammenfassung
51
3 Naturwissenschaft und empirischer ontologischer Idealismus
52
3.1 Empirischer Idealismus statt Reduktionismus
52
3.2 Zum Substanzbegriff in Physik, Chemie und Biochemie
66
3.3 Chemical explanation of life? Gene, genetische Information und Proteine
81
3.4 Genregulation. Vom statischen zum dynamischen Gen-Konzept
86
3.5 Selbstorganisation, organisches System und Goethes Typus
90
3.6 Organismus oder Mechanismus?
95
3.7 Typus und Morphogenese
97
3.8 Organisches versus anorganisches Erkennen
100
3.9 Morphogenetische Felder oder Substanzen?
106
3.10 Ursächlichkeit und Systembiologie
115
3.11 Biologie jenseits von Vitalismus und Mechanismus
119
3.12 Überlegungen zur Thermodynamik organischer Prozesse
122
3.13 Leben versus Tod, physische und ätherische Organisation
125
3.14 Zusammenfassung
132
4 Empirische Psychologie und die Realität des Seelisch-Geistigen
134
4.1 Emergenz des Bewusstseins und die Frage nach der Realität des Seelischen
134
4.2 Problem des ontologischen Monismus und der psychophysischen Kausation
139
4.3 Bewusstsein versus Leben: lebendiges und seelisches Wirken
142
4.4 Das Seelische als gestaltbildendes Prinzip. Die astralische Organisation
146
4.5 Geist versus Seele: Emergenz von Selbstbewusstsein und Selbstdetermination
151
4.6 Zur Freiheitsfrage
161
4.8 Zusammenfassung
184
5 Von der Anthropologie zur Anthroposophie
186
5.1 Die Frage nach der Realität und Erkennbarkeit geistiger Wirkprinzipien
186
5.2 Anthropologie und Anthroposophie bei I. P. V. Troxler
194
5.3 Anthropologie und Anthroposophie bei I. H. Fichte
196
5.4 Zusammenfassung
201
6 Anthroposophie als empirische Geisteswissenschaft
204
6.1 Erkenntnisgrenze und ihre Überschreitung
204
6.2 Empirische Geisteswissenschaft bei Rudolf Steiner
210
6.3 Zusammenfassung
220
7 Anthroposophische Geisteswissenschaft und naturwissenschaftliche Medizin
222
7.1 Viergliedriges Menschenbild als Grundlage der medizinischen Anthropologie, Nosologie und Therapie
222
7.2 Wissenschaftliche Überprüfung anthroposophischer Konzepte und das Rationale in der Medizin
227
7.3 Anthroposophische Medizin und moderne wissenschaftliche Forschung
231
7.4 Zur Lage der anthroposophisch erweiterten medizinischen Anthropologie
237
7.5 Zur Lage der klinischwissenschaftlichen Forschung in der anthroposophischen Medizin
243
7.6 Zusammenfassung
253
Literaturverzeichnis
254