: Britta Baumgarten
: Interessenvertretung aus dem Abseits Erwerbsloseninitiativen im Diskurs über Arbeitslosigkeit
: Campus Verlag
: 9783593409801
: 1
: CHF 30.40
:
: Arbeits-, Wirtschafts- und Industriesoziologie
: German
: 330
: Wasserzeichen/DRM
: PC/MAC/eReader/Tablet
: PDF
Politiker, Journalisten und Vertreter verschiedenster Verbände äußern sich gerne und häufig zum Thema Arbeitslosigkeit. Weit weniger gefragt sind hingegen Erwerbsloseninitiativen, deren Forderungen zudem häufig als unberechtigt abgetan werden. Britta Baumgarten untersucht die Kommunikationsstrategien, mit denen sich diese Initiativen in den Diskurs über Arbeitslosigkeit einbringen, um die Interessen von Erwerbslosen zu vertreten.

Britta Baumgarten, Dr. phil., arbeitet als Postdoc am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung.
6. Kommunikative Strategien der Erwerbsloseninitiativen (S. 185-186)

In diesem Kapitel werden kommunikative Strategien der Erwerbsloseninitiativen in Bezug auf den Diskursüber Arbeitslosigkeit vorgestellt und auf diskursive Formationen und die Akteurspositionen der Erwerbsloseninitiativen hin analysiert. Wie in den vorangegangenen Kapiteln gezeigt, nehmen die Erwerbsloseninitiativen eine marginale Position im Diskurs ein und betrachten sich selbst als marginalisierte Vertreter schwacher Interessen, was auch im kommenden Kapitel an verschiedenen Stellen gezeigt werden kann. Der Diskursüber Arbeitslosigkeit entwickelt sich zudem zum Nachteil vieler Erwerbsloser, was vor allem an der Implementierung von neuen Gesetzen sichtbar wird, die Rechte von und Zuwendungen an Erwerbslose in vielen Bereichen einschränken.

Diese Implementierung von Gesetzen erfolgt im Sinne des Aktivierungsparadigmas und einer Prämisse des Sachzwangs zur Einsparung von sozialstaatlichen Ausgaben, welche bereits in Kapitel 4.1 vorgestellt wurden. Unter der Annahme, dass Erwerbsloseninitiativen den Diskursüber Erwerbslosigkeit und damit vor allem auch die politische Entscheidungsfindung beeinflussen wollen, werden in diesem Kapitel empirisch vorgefundeneÄußerungen dieser Initiativen untersucht. Es werden dabei Bezugnahmen sowohl zu aktuellen diskursiven Ereignissen als auch zu stabileren diskursiven Formationen (Foucault 1981) wie Grundwerten oder Gesetzestexten aufgezeigt und dabei auf die spezifische Situation der Erwerbsloseninitiativen als Vertreter schwacher Interessen eingegangen.

Zudem lässt sich beobachten, dass verschiedene Strategien zur Generierung von Aufmerksamkeit verfolgt werden, die sich nur bedingt auf Foucaults diskursive Formationen beziehen: die Subjektpositionierung und Strategien des Framings (vgl. Kapitel 3.1.2).Betrachtet man die Erwerbsloseninitiativen als Teil einer Diskurskoalition, 139 so lassen sich für diese bezüglich dem Thema Arbeitslosigkeit und seiner Unterthemen bestimmte Problemdeutungen rekonstruieren, die von denen anderer Diskurskoalitionen und den im Diskurs dominierenden abweichen.

Die Ausarbeitung dieser Deutungsmuster der Erwerbsloseninitiativen und ihrer Unterschiede zu dominierenden Deutungsmustern im Diskursüber Arbeitslosigkeit ist das Ziel des folgenden Kapitels. Im Anschluss daran folgen ab Kapitel 6.2 Analysen zur Fragestellung der strategischen Kommunikation der Erwerbsloseninitiativen: Unter Berücksichtigung der in den Kapiteln 4 und 5 ausgearbeiteten diskursiven Formationen und der mannigfachen Deutungen der verschiedenen Diskurskoalitionen wird herausgearbeitet, wie die Erwerbsloseninitiativen ihre Forderungen, sich selbst als Akteur und Darstellungen des Problems Arbeitslosigkeit rahmen, um mit ihren Forderungen Anschluss an den herrschenden Diskurs zu finden bzw. um Allianzen mit anderen Akteuren zu fördern und um ihre Sprecherposition zu verbessern.
Inhalt6
1. Einleitung10
I. Vorstellung und Reflexion der Theorie und Methodik18
2. Theoretischer Hintergrund20
2.1 Erwerbsloseninitiativen20
2.1.1 Geschichtlicher Überblick über die Organisation von Erwerbslosen21
2.1.2 Forschungsansätze zu politischer Interessenvertretung von Erwerbslosen27
2.2 Öffentlichkeit, Öffentliche Meinung und Handlungsstrategien politischer Akteure30
2.3 Marginalisierte Akteure und die Vertretung schwacher Interessen38
3. Methodologie44
3.1 Diskursanalyse und die Konstruktion von Deutungs- und Handlungsrahmen44
3.1.1 Diskursanalysen nach Foucault46
3.1.2 Konstruktion von Frames53
3.1.3 Wissenssoziologische Diskursanalyse67
3.1.4 Verbindungslinien der vorgestellten Ansätze71
3.2 Der kollektive Akteur und seine Einbettung in den Diskurs78
3.3 Datenauswahl, Interpretation und Kodierung82
3.4 Darstellung der Ergebnisse99
3.5 Kritische Reflexionen über meine Vorgehensweisen101
II. Empirische Analysen108
4. Arbeitslosigkeit – diskursive Formationen und Handlungsräume110
4.1 Der Diskurs über Arbeitslosigkeit110
4.2 Deutungen des Diskurses über Arbeitslosigkeit durch die Erwerbsloseninitiativen130
4.3 Kommunikationsmittel der Erwerbsloseninitiativen134
4.4 Zwischenfazit Diskurs144
5. Andere Akteure – mögliche Allianzen und Gegner146
5.1 Allianzen und Gegner146
5.1.1 Gewerkschaften148
5.1.2 Kirchen und Wohlfahrtsverbände156
5.1.3 Politische Parteien und Politiker159
5.1.4 Staatliche Akteure163
5.1.5 Vertreter der Wirtschaft166
5.1.6 Vertreter der Medien168
5.1.7 Sonstige Akteure169
5.2 Koordination gemeinsamer Forderungen und Aktionen171
5.3 Konstruktion gemeinsamer Handlungsrahmen der Erwerbsloseninitiativen176
5.4 Konstruktion gemeinsamer Handlungsrahmen mit anderen Akteuren178
5.5 Zwischenfazit Akteure184
6. Kommunikative Strategien der Erwerbsloseninitiativen186
6.1 Arbeitslosigkeit: Problemdefinition und Forderungen188
6.2 Selbstdarstellungen199
6.3 Darstellungen von Erwerbslosen205
6.4 Bezüge auf allgemein anerkannte Grundwerte215
6.4.1 Gerechtigkeit216
6.4.2 Menschenwürde227
6.4.3 Demokratie235
6.4.4 (Sozialer) Frieden241
6.4.5 Wahrheit – Wissenschaftlichkeit246
6.5 Gesetze und Rechte252
6.6 Gesellschaftlich anerkannte Probleme258
6.7 Diskursive Strukturen und Strategien von Erwerbsloseninitiativen273
6.7.1 Institutionell verankerte »Wahrheiten«, anerkannte Akteure und Werte275
6.7.2 Der strategische Bezug auf diskursive Ereignisse278
6.7.3 Die Suche nach starken Allianzen und breiter öffentlicher Unterstützung280
6.7.4 Umgang mit Gegenpositionen283
6.7.5 Aufmerksamkeit versus Beeinflussung288
7. Fazit292
Literatur304
Anhang330