: Hans Jellouschek
: Liebe auf Dauer Was Partnerschaft lebendig hält
: Kreuz
: 9783783180282
: 1
: CHF 6.10
:
: Lebensführung, Persönliche Entwicklung
: German
: 192
: kein Kopierschutz
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Eine erfüllte, dauerhafte Partnerschaft muss kein Wunschtraum bleiben. Der bekannte Paartherapeut zeigt auf dem Hintergrund seiner 30jährigen therapeutischen Erfahrung, wie Partner ihre Beziehung so gestalten können, dass beide aus freien Stücken dauerhaft beieinander bleiben. Beständigkeit der Zuneigung und Liebe kann gelingen auch in Zeiten, in denen Scheidungen fast etwas Normales sind.

Hans Jellouschek, geboren 1939, gestorben 2021, Dr. theol., Lic. phil., Transaktionsanalytiker (DGTA), Eheberater, Lehrtherapeut für Transaktionsanalye und systemisch-integrative Paartherapie. Langjährige Erfahrung im Bereich Fort- und Weiterbildung von Beratern und Therapeuten, Coaching und Training für Führungskräfte. Er lebte in der Nähe von Stuttgart. Weitere Informationen unter www.hans-jellouschek.de

2Lernen Sie einander gut kennen
Die Kunst, die Fremdheit zuüberwinden


»Ich bin völligüberrascht, wie anders du bist!«


Ich erinnere mich an ein Paar in der Therapie, dem ich die Aufgabe gegeben hatte, sich einmal in der Woche zusammenzusetzen und ein Gespräch in der Form zu führen, dass der eine erzählen sollte, was ihn gerade innerlich bewegte, während der andere nur zuhören und nachfragen, nicht aber mit eigenen Aussagen dazwischenkommen durfte, und nach einer bestimmten Zeit sollten sie die Rollen wechseln.»Diskussionen«über das Gesagte sollten keine stattfinden. Das Paar hielt sich an diese Regel, und als ich sie wieder traf, rief die Frau aus:»Das war eine schwierigeÜbung! Ich bin völligüberrascht und hätte nie gedacht, wie anders mein Mann ist, als ich bin!«

Wenn zwei Menschen sich ineinander verliebt haben, besteht ein Teil ihrer Verliebtheit darin, dass sie sich einander so wunderbar vertraut fühlen.»Als hätten wir uns schon hundert Jahre lang gekannt«, sagen sie manchmal. Dieses Gefühl der Vertrautheit ist in der Regel keine Täuschung. Verliebtheit besteht ja gerade darin, dass zwei sich in der Tiefe berühren, dass es eine Begegnung ihrer Herzen gibt, die sie tief miteinander verbindet. Oft wird erst viel später deutlich, was das war oder ist: einähnliches Schicksal zum Beispiel, das sie einander so nahefühlen lässt, eine Gemeinsamkeit in wesentlichen Lebenseinstellungen, die sie intuitiv erfassen, oder eine wunderbare Ergänzung, die sie wechselseitig fasziniert.»Die beiden verstehen sich«, sagen dann die Leute bewundernd oder ein wenig neidvoll, wenn sie beobachten, wie sie miteinander umgehen. In der Verliebtheit erfassen wir tatsächlich Wesentliches von der Person des anderen und von den Möglichkeiten, die wir miteinander an Entfaltung und Entwicklung haben (Willi 2002, S. 137–146).

Das heißt allerdings noch nicht ohne Weiteres, dass wir den Weg der Realisierung dafür auch finden und gehen werden. Und noch weniger heißt es: Dass wir den anderen dadurch schon wirklich kennen. Wir kennen etwas von ihm, vielleicht etwas Wesentliches, aber ganz Vieles bleibt im Dunkel, im Verborgenen. In der Verliebtheit entdecken und erfassen wir, was vom anderen zu uns passt, das andere blenden wir aus. Wir bemerken es nicht, oder wir schauen bewusst ein wenig weg davon. Das lässt sich allerdings im Alltag des Zusammenlebens nicht durchhalten. Da zeigt sich dann, dass vieles am anderen neu, fremd, ja befremdlich ist. Diese Erfahrung bringt oft die ersten Enttäuschungen in die Liebe und läutet das Ende der Verliebtheitsphase ein. Ist das der Anfang vom Ende?

Er kann es sein. Dann nämlich, wenn ich daran festhalte, dass die Verliebtheit mit der in ihr erfahrenen genauen Passung zwischen dir und mir schon die Liebe schlechthin sein soll, und wenn ich die Fremdheit, auf die ich stoße, wenn auch die bisher unbekannten Seiten des anderen hervortreten, als einen Gegensatz dazu erlebe. Dann nämlich beginne ich, was M. L. Moeller (1988, S. 138 ff.)»den anderen kolonialisieren« nannte. Das heißt: Ich sperre mich dagegen, den anderen als anderen wahrzunehmen, ich hole ihn sozusagen in das Gebiet meines eigenen Ich herein und beginne zu bekämpfen, was sich am anderen dagegen sträubt, auf diese Weise»eingemeindet« zu werden. So stellt zum Beispiel Rilke in seinem berühmten Gedicht den Orpheus dar: Er nimmt Eurydike nur als seine bewunderte und ihn bewundernde Muse wahr, kann jedoch nicht akzeptieren, dass sie»in der Unterwelt« eine andere geworden und durch eine eigene Entwicklung gegangen ist. So dreht er sich nach ihr um, um sie wieder unter seine Kontrolle zu bringen, und verliert sie dadurch endgültig (vgl. dazu Jellouschek 2001, S. 87–102).

Interesse, Neugier, Staunen


Wir kennen den anderen, auch wenn wir heftig in ihn verliebt waren oder sind, noch sehr wenig, ja wir werden ihn niemals wirklich»durch und durch« kennen lernen. Das heißt aber: Ich muss mich darauf einstellen, dass mein Mann, meine Frau– nicht nur im Sexuellen, wie uns seinerzeit Oswald Kolle nahezubringen suchte– ein»unbekanntes Wesen« ist. Ein unbekanntes Wesen, das es erst kennen zu lernen gilt. Damit ich nicht– wie so mancher»Orpheus« männlichen und weiblichen Geschlechts– böseÜberraschungen erlebe, ist es darum von Vornherein besser, mich mit einer gewissen Entdeckerlust auf den anderen einzulassen. Dazu gehören: Interesse am anderen und eine gewissermaßen»ästhetische Haltung« ihm gegenüber.

Was ist damit gemeint? Um ein etwas banales (aber zugleich auch»ba