6 Spezielle Aspekte der homöopathischen Sexualtherapie(S. 56-57)
6.1 Komorbiditäten
Die Komorbidität (lat. morbus Krankheit) ist de- finiert als Vorkommen von zwei oder mehreren diagnostisch unterscheidbaren Krankheiten nebeneinander, ohne dass eine ursächliche Beziehung zwischen diesen bestehen muss. Die Erkrankungen bestehen gleichzeitig und gleichberechtigt nebeneinander. Rechnerisch verbirgt sich hinter der komorbiden Störung meist eine Korrelation, die besagt, dass eine Erkrankung häufig mit einer anderen auftreten kann.
Eine Korrelation verrät jedoch nichtsüber den ursächlichen Zusammenhang zwischen den beiden Störungen. Konkret bedeutet das, dass eine erektile Dysfunktion, wie auch andere chronische Erkrankungen zu einer klinischen Depression führen kann. Andererseits ist auch bekannt, dass eine klinische Depression mit Einschränkungen der Libido und der sexuellen Funktionen einhergehen kann. Bei sexuellen Störungen besteht häufig eine Komorbidität mit sozialer Unsicherheit– eine Untergruppe der sozialen Phobie (s. Kap. 6.1.1)– und mit Depressionen (s. Kap. 6.1.2).
Fallbeispiel: Das Salz des Lebens in der Liebe
Der 55-jährige Herr Y. berichtet, dass er seit dem ersten sexuellen Erlebnis an erektiler Dysfunktion leidet. Zu Beginn seiner Beziehungen sei das Problem immer aufgetreten, in der seit 19 Jahren bestehenden Ehe habe es nicht mehr bestanden. Jetzt habe er es seit genau fünf Jahren wieder. Nein, er sei nicht mehr mit der Ehefrau zusammen, er habe jetzt auch eine neue Partnerin, mit der er schonüber das Problem gesprochen habe. Wie es zu der Trennung von der Ehefrau kam, mit der er drei Kinder, ein Haus und eine gemeinsame Firma habe? Nun, sie habe ihn beleidigt:„Du bist im Bett echt das Letzte. Du warst kein einziges Mal gut im Bett.“
Diese vernichtende Aussage habe ihn so gekränkt, dass er sich eine neue Partnerin gesucht und seine Familie verlassen habe. Seine Frau habe das bis heute nicht verstanden und sei auch immer noch wütend darüber. Wenn er nach Hause fährt, um sich um das Haus und die Kinder zu kümmern, würde ihm das besonders auffallen. Und eine Scheidung? Eigentlich wolle er sich der Kinder und der Finanzen wegen nicht scheiden lassen. Ich frage ihn, warum er die erektile Dysfunktion mit der neuen Partnerin auf sein erstes sexuelles Erlebnis zurückführt, wenn es doch 19 Jahre lang geklappt hätte? Ja, bei einem Seitensprung hätte es auch nicht geklappt. Ich frage weiter:
„Auch wenn es bei einem Seitensprung und mit der neuen Partnerin nicht klappt, es aber 19 Jahre lang mit der Ehefrau geklappt hat: Wo sehen Sie den ursächlichen Zusammenhang zum ersten sexuellen Erlebnis. Was hält Sie davon ab, die Ursache in der Kränkung durch Ihre Frau zu sehen. Immerhin hat diese Kränkung dazu geführt, dass Sie nicht mehr miteinander reden konnten und Sie Ihre Frau verlassen haben.“ Herr Y. gibt zu, dass er es so noch nie betrachtet hätte und es durchaus sein könnte, dass er das vernichtende Urteil seiner Frau nicht richtig verdaut hätte. Mit Viagra würde es auch nicht klappen. |