: Andreas Steinhöfel
: Beschützer der Diebe
: Carlsen Verlag GmbH
: 9783646920826
: 1
: CHF 7.90
:
: Kinderbücher bis 11 Jahre
: German
: 256
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Eigentlich sollte es nur ein harmloses Spiel sein: wildfremde Leute beobachten. Aber der Mann im grauen Anzug, dem Gudrun quer durch Berlin folgt, wird direkt vor dem Pergamonmuseum entführt! Für Gudrun und ihre Freunde Dags und Olaf steht fest: Sie müssen dem Mann irgendwie helfen. Als die Polizei ihre Aussage für ein Hirngespinst hält, wird ihnen klar, dass sie ganz auf sich allein gestellt sind. Und so beginnt für die drei Kinder eine aufregende Jagd durch die Hauptstadt.

Andreas Steinhöfel wurde 1962 in Battenberg geboren. Er ist Autor zahlreicher, vielfach preisgekrönter Kinder- und Jugendbücher, wie z. B. »Die Mitte der Welt«. Für »Rico, Oskar und die Tieferschatten« erhielt er u. a. den Deutschen Jugendliteraturpreis. Nach Peter Rühmkorf, Loriot, Robert Gernhardt und Tomi Ungerer hat Andreas Steinhöfel 2009 den Erich Kästner Preis für Literatur verliehen bekommen. 2013 wurde er mit dem Sonderpreis des Deutschen Jugendliteraturpreises für sein Gesamtwerk ausgezeichnet und 2017 folgte der James-Krüss-Preis. Zudem wurde er für den ALMA und den Hans-Christian-Andersen-Preis nominiert. Andreas Steinhöfel ist als erster Kinder- und Jugendbuchautor Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung. Seine Serie über Rico und Oskar wurde sehr erfolgreich fürs Kino verfilmt. Zusätzlich zu seiner Autorentätigkeit arbeitet er als Übersetzer und Rezensent und schreibt Drehbücher. Seit 2015 betätigt er sich in seiner Filmfirma sad ORIGAMI als Produzent von Kinderfilmen.

MITTWOCH

Kapitel 1

Sommerstadt

Romeo saß bewegungslos zwischenPippi Langstrumpf undKalle Blomquist unter dem Tisch. Seine feinen Schnurrhaare zitterten kaum merklich, als er witternd die Nase in die Luft hob.

»Füller«, sagte Dags leise und eindringlich. »Wo ist der Füller, Romeo?«

Die schwarzen Knopfaugen der Ratte blitzten, während ihr nackter Schwanz unruhig über den Parkettboden schlug. Winzige Staubpartikel wirbelten auf und schimmerten im Sonnenlicht, das durch das hohe weiße Fenster fiel.

Dags hatte den Füller am Ende eines kunstvoll verschachtelten Labyrinths versteckt. Die Seitenwände der Gänge, die sich durch das ganze Zimmer erstreckten, bestanden aus aufgestapelten Büchern, Musikkassetten, CD-Hüllen und Comic-Alben. Romeo hatte bereits zwei erfolglose Anläufe unternommen, den Irrgarten zu durchqueren, und es sah nicht so aus, als wäre er dazu bereit, auch noch einen dritten Versuch zu starten. Er kratzte sich hinter den Ohren und zuckte zusammen, als aus dem Flur das Klingeln des Telefons ertönte.

»Füller«, wiederholte Dags ungeduldig. »Jetzt mach endlich! Ich hab dir das verdammte Ding schon mindestens zehnmal unter die Nase gehalten!«

Dagmars Vater hatte Romeo aus dem Labor mitgebracht, als die Ratte kaum sechs Wochen alt gewesen war, und ihn damit vor dem traurigen Schicksal seiner dort gezüchteten Artgenossen bewahrt, die als Versuchstiere für Krebsexperimente dienten. Dags hatte das kleine schwarzweiß gefleckte Knäuel vom ersten Augenblick an gemocht und Romeo hatte ihre Zuneigung ebenso rasch erwidert. Ihre gegenseitige Liebe war zum Ausgangspunkt einer Reihe von Experimenten geworden, von denen bisher leider keines zum Erfolg geführt hatte. Das einzige Kunststück, das Romeo beherrschte, bestand darin, sich auf die Hinterbeine zu stellen und seinen Oberkörper hin und her zu wiegen, wenn man ihm etwas zu fressen anbot. Dags fand, er wirke dabei ungefähr so graziös wie ein besoffener Balletttänzer.

Sie seufzte und beugte sich zu Romeo herab. Er sprang auf ihre rechte Hand, lief wieselflink den Arm hinauf und kuschelte sich, auf der Schulter angekommen, an ihren Hals. Vorsichtig balancierte sie über das Labyrinth hinweg zur Fensterbank, wo der Rattenkäfig stand, und hielt Romeo dabei einen Käsecracker unter die Nase.

Wiegen, wiegen, wiegen … Dann griffen die zierlichen Pfoten zu und ein Sprühregen aus Krümeln rieselte auf den Boden herab.

»Ich weiß, dass du nicht so blöd bist, wie du tust«, murmelte Dags und kraulte Romeo unter dem Kinn. »Irgendwann wird es klappen.«

Der Kopf ihrer Mutter erschien im Türspalt. »Gudrun ist am Telefon.« Sie ließ den Blick über das Chaos schweifen, das sich zu ihren Füßen ausbreitete. »Was veranstaltest du denn hier schon wieder?«

»Ich versuche Romeo dazu zu bringen, sich an einmal gesehene und benannte Gegenstände zu erinnern und sie dann unter erschwerten Bedingungen wiederzufinden.«

»Aha …« Frau Kreuzer runzelte die Stirn.

»Es ist vollkommen harmlos«, sagte Dags.

»Das hast du auch behauptet, als du letztes Jahr den Orientteppich im Arbeitszimmer mit deinem selbst entwickelten Fleckenmittel behandelt hast.«

»Falsche Formel«, verteidigte sich Dags schuldbewusst. Das Fleckenmittel hatte tiefe Löcher in den sündhaft teuren Teppich geätzt und ihr den dreimonatigen Verlust ihres Taschengelds beschert.

»Nun ja«, erwiderte Frau Kreuzer. »Ich hoffe, du findest unter diesen erschwerten Bedingungen alles wieder, was du in dem Labyrint