Kapitel 2
Der schwache Lichtschein – blassgrün, wie von einem Geist – tanzte knapp außerhalb ihrer Reichweite.
Wenn sie ihn doch nur erreichen könnte.
Wenn sie den Geist erreichen könnte, wäre sie gerettet.
Der Schimmer, der in der Dunkelheit des Kofferraums schwebte, baumelte wie zum Hohn ein Stück oberhalb ihrer Füße, die genau wie ihre Hände mit Isolierband gefesselt waren.
Ein Geist …
Ein weiteres Stück Klebeband verschloss ihren Mund, und sie sog die schale Luft durch die Nase ein. Dabei hielt sie sich bewusst zurück, als könnte der Kofferraum ihres Camry nur ein gewisses Maß an Sauerstoff fassen.
Ein schmerzhafter Aufprall, als der Wagen durch ein Schlagloch fuhr. Sie stieß einen kurzen, gedämpften Schrei aus.
Von Zeit zu Zeit glommen andere schwache Lichter auf: ein mattes Rot, wenn er auf die Bremse trat, der Blinker. Draußen blieb es finster; es war kurz vor ein Uhr morgens.
Der leuchtende Geist schaukelte vor und zurück. Es handelte sich um die Notentriegelung des Kofferraums: ein Handgriff aus lumineszierendem Kunststoff, versehen mit dem komischen Abbild eines Mannes, der aus dem Wagen sprang.
Aber der Griff blieb knapp außerhalb der Reichweite ihrer Füße.
Tammy Foster hatte sich fest vorgenommen, nicht mehr zu weinen. Sie war in Tränen ausgebrochen, gleich nachdem der Angreifer sie auf dem düsteren Parkplatz des Clubs von hinten gepackt, ihr den Mund zugeklebt, die Hände auf den Rücken gebunden und sie in den Kofferraum gestoßen hatte, wo er ihr auch noch die Füße fesselte.
Starr vor Angst hatte die Siebzehnjährige gedacht: Er will nicht, dass ich ihn zu Gesicht bekomme. Das ist gut. Er will mich nicht töten.
Er will mich bloß einschüchtern.
Sie hatte sich im Kofferraum umgesehen, den baumelnden Geist entdeckt und versucht, ihn mit den Füßen packen zu können, aber er rutschte immer wieder zwischen ihren Schuhen hindurch. Tammy befand sich in guter körperlicher Verfassung, spielte Fußball und war Cheerleader. Doch aufgrund des ungünstigen Winkels konnte sie die Beine stets nur für ein paar Sekunden anheben.
Der Geist entzog sich ihr.
Das Auto fuhr weiter. Mit jedem Meter wuchs Tammy Fosters Verzweiflung. Sie fing wieder an zu weinen.
Nicht, nicht! Deine Nase wird verstopfen, und du erstickst.
Sie riss sich zusammen.
Eigentlich musste sie um Mitternacht zu Hause sein. Ihre Mutter würde sie vermissen – falls sie nicht betrunken auf der Couch lag, weil es mit ihrem aktuellen Freund irgendein Problem gab.
Ihre Schwester würde Tammys Abwesenheit bemerken müssen, sofern sie nicht im Internet oder am Telefon hing. Was natürlich der Fall war.
Pling.
Das gleiche Geräusch wie zuvor schon einmal: das Klirren von Metall, als er etwas auf die Rückbank geladen hatte.
Tammy dachte an einige Gruselfilme, die sie gesehen hatte. Brutale, abstoßende Streifen. Mit Folter und Mord. Wofür Werkzeuge benutzt wurden.
Denk an was anderes. Tammy konzentrierte sich auf den baumelnden grünen Geist der Notentriegelung.
Und vernahm ein neues Geräusch. Das Meer.
Schließlich hielten sie, und er schaltete den Motor aus.
Die Rückleuchten erloschen.
Das Auto schaukelte, als der Mann sich auf dem Fahrersitz umwandte. Was machte er da? Irgendwo in der Nähe ertönte der kehlige Ruf einer Robbe. Sie befanden sich