Andere überzeugen wollen
Die Dame, die da neben mir im Flugzeug saß, wollte reden. Sie schaute mich aufmunternd an, und ich begrüßte sie höflich. Ich hoffte, dass man mir meine Abneigung einem Gespräch gegenüber nicht ansah. Ich wollte sie schließlich nicht verletzen.
Wenn ich allein fliege, genieße ich die Stille und Ruhe auf so einem Elf-Stunden-Flug von Los Angeles nach Deutschland. Gott sei Dank in der Business Class, freue ich mich an jeder Minute, in der ich mich um nichts kümmern muss. Im Gegenteil, die wunderbaren Flugbegleiter der Lufthansa sorgen dafür, dass ich mit allem versorgt bin.
Ich hatte ein Buch dabei, ebenso meine Musik, und bereitete mich darauf vor, mich durch sämtliche deutschen Magazine durchzuschmökern. VonSpiegel überStern, vonFocus überBunte, vonGala überBrigitte und sogarCosmopolitan undGQ – man kann ja stets noch was dazulernen. Dabei stelle ich immer wieder fest, dass ich neunzig Prozent der porträtierten Menschen in Deutschland nicht mehr kenne. Sechzehn Jahre Amerika verwischen Spuren.
Doch an meinem gemütlichen Schmökern wurde ich durch die Sitznachbarin erst mal gehindert. Was ich denn so mache, wollte sie wissen, und ich zögerte mit der Antwort.
Noch vor Jahren wäre ich begeistert gewesen: ein weiteres Opfer! Natürlich hätte ich es nicht so genannt, aber dies wäre für mich wieder mal eine herrliche Gelegenheit gewesen, über mein Lieblingsthema »Gott« zu reden. Natürlich, war ich mir sicher, hatten da meine Engel ihre Hand im Spiel. Wahrscheinlich brauchte diese Frau Hilfe und hatte vielleicht sogar ihren Glauben verloren; und so wurde ich neben sie gesetzt, um ihr zu helfen.
Ich hätte ohne Punkt und Komma über Gott, Engel, spirituelles Wachstum, Visionquests (die Suche nach Visionen durch Naturerlebnisse) und heilige Pfeifen geredet, bis die Frau neben mir entweder begeistert gewesen wäre oder sich schleunigst hinter die Sch