[Die eine Kirche und die vielen Kirchen] (S. 71-72)
Die heutige gewaltlose Kommunikation zwischen den Kirchen, insbesondere der evangelischen Kirchen und der katholischen Kirche, ist ein wesentlicher Fortschritt. Auseinandersetzungen um die gemeinsame Eucharistie und das Sakramentsverständnis bzw. den Primat des Papstes sind ein zentraler stabiler‚Rest‘, der die Kirchen noch trennt. Trotzdem wird z. B. die Verweigerung der katholischen Kirche zum Kommunionempfang von evangelischen Christen in der Heiligen Messe von vielen Katholiken nicht mehr verstanden. Aber die Kirchen versuchen, in derÖkumene (griech.‚Erdkreis‘ oder‚die ganze bewohnte Erde‘) ihre Gemeinsamkeiten zu betonen, Unterschiede diskursiv zu klären und vorsichtige Schritte aufeinanderzuzumachen.
In vielen Bereichen wie der Rechtfertigungslehre, der Taufe und der sozialen undökologischen Verantwortung besteht weitestgehende Einigkeit. Kein Christ einer anderen Konfession muss erneut getauft werden, wenn er katholisch werden will, umgekehrt ebenfalls nicht. Gemeinsame Trauungen konfessionsverschiedener Paare sind selbstverständlich. Regelmäßigeökumenische Aktionen im Jahr (z. B. Woche für das Leben, Weltgebetstag der Frauen) sindüblich, bei denen die Christen aller Konfessionen gemeinsam für christliche Werte in der Welt eintreten und miteinander beten. Die Kirchen suchen zueinander das Gespräch, verständigen sich immer wiederüber ihre gemeinsame Verantwortung für die Welt, und versuchen nicht mehr, sich gegenseitig ihre Legitimität in der Nachfolge Jesu Christi abzuerkennen. Das katholische Papstamt wie die Leitungsämter der evangelischen Kirchen gewinnen z. B. gerade in den letzten Jahren zunehmend an gegenseitigem Respekt, wenn es auch ab und zu wieder zu Missverständnissen kommt.
Von einer einzigen und einheitlichen Kirche katholischen Kirche im Sinne des ursprünglichen griechischen Begriff es der allumfassenden Kirche, sind die Christen aber weit entfernt. Das Bekenntnis‚Ich glaube an die heilige katholische Kirche‘ im apostolischen Glaubensbekenntnis sowie im Bekenntnis von Nizäa und Konstantinopel 381 n. Chr. bedeutet ein Bekenntnis zur ungeteilten Kirche mit ihren Gottesdiensten und Strukturen. Katholisch ist die Kirche, indem sie hinter diesem Glaubensbekenntnis steht. Die eine Kirche besteht auch dann, wenn es unterschiedliche Institutionen von Kirche gibt. Problematisch wird es immer dann, wenn eine Kirche behauptet, die einzig wahre Kirche in der Nachfolge Jesu Christi zu sein, und den anderen diesen Status schlichtweg abspricht. |