: Susanne Fröhlich
: Lieblingsstücke
: S. Fischer Verlag GmbH
: 9783104000350
: Ein Andrea Schnidt Roman
: 1
: CHF 9.00
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: German
: 288
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Das Lieblingsstück der Spiegel-Bestsellerliste! 'Ich kann von zu Hause aus arbeiten. Ich bin jederzeit für die Kinder da und absolut flexibel. Außerdem verdiene ich was, und es macht mir Spaß.' Andrea Schnidt ist mittlerweile Top-Sellerin im Internet und hat im Hobbykeller ihr Büro - aber das platzt schon fast aus allen Nähten. 'Such dir doch lieber was Richtiges', hatte Christoph, ihr Mann, vorgeschlagen. Aber der hat ja gut reden, der Herr Junior-Partner und seit neuestem besessener Jogger. Als würde die internationale Geschäftswelt auf sie warten! Außerdem hat sie auch so schon alle Hände voll zu tun, das ganz normale Chaos zu meistern - jetzt, wo noch ihr Vater mit dem Rollköfferchen in der Hand vor der Tür steht und bei ihnen einzieht und ihre Freundin Annabelle davon überzeugt ist, dass sie, Andrea, Jesus aus der Mehrzweckhalle in Eschborn verscheucht hat. Aber dass es sich mal auszahlen wird, alle afrikanischen Hauptstädte zu kennen, davon ist Andrea überzeugt!

Susanne Fröhlich ist erfolgreiche Moderatorin, Journalistin und Bestsellerautorin. Sie lebt in der Nähe von Frankfurt am Main. Sowohl ihre Sachbücher als auch ihre Romane - »Familienpackung«, »Treuepunkte«, »Lieblingsstücke«, »Lackschaden«, »Aufgebügelt«, »Wundertüte«, »Feuerprobe« und zuletzt »Verzogen« - wurden alle zu riesigen Erfolgen.

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»Jesus ist hier bei uns in Eschborn«, ruft die Stimme ekstatisch.

Jesus ist in Eschborn. Das wäre, wenn es tatsächlich stimmt, ein ziemlicher Knaller. Ich meine, ich möchte Jesus nicht zu nahe treten, aber warum um alles in der Welt sollte er nach Eschborn kommen? Ein Mann wie Jesus hat doch wirklich andere Möglichkeiten. Wozu ist er schließlich Jesus? Was nützt einem so eine Funktion, Beruf wäre wohl die unpassende Bezeichnung, wenn man dann doch in Eschborn rumhängen muss? Und noch dazu bei diesem Schmuddelwetter. Da wäre es doch bestimmt auf den Malediven oder den Seychellen netter. Wärmer allemal. Die Strände, die Palmen, das türkisfarbene Wasser, nette Cocktails, all das sollte Jesus ja wohl bekannt sein. Und ansonsten, falls ihm das Rumliegen am Strand nicht so gefällt, viele Männer langweilen sich da ja schnell mal, und Jesus ist ja nun eindeutig ein Mann, gibt es auch noch Städte wie New York, Rom, Venedig oder Paris. Internationale Metropolen. Und wenn es denn unbedingt Deutschland sein muss, würde ich an Jesus’ Stelle doch lieber mal nach Berlin. Für Jesus würde sich der Wowereit sicherlich einen Abend frei nehmen. Dass Jesus’ Wahl angeblich ausgerechnet auf Eschborn fällt, genauer gesagt aufs Gewerbegebiet Eschborn Süd, spricht entweder für seine Leidensfähigkeit (die ja weitreichend bekannt ist) oder auch nur dafür, dass er entweder keinen Geschmack oder keine Ahnung hat. Beides aber sollte man von Jesus doch erwarten können.

»Jesus ist in Eschborn und sagt uns hallo«, wiederholt die Stimme noch aufgeregter die gewagte These, und weil das so dermaßen bekloppt ist und alle trotzdem so irrsinnig bewegt sind, nutze ich diesen Moment, nehme meine Tasche und meine Decke und verlasse so unauffällig wie möglich den zugigen kleinen Raum über der örtlichen Mehrzweckhalle. Vielleicht hat Jesus ja Lust mitzukommen. Ich kann mir nur sehr schwer vorstellen, dass er an dieser Veranstaltung hier Spaß hat. Ich jedenfalls nicht. Überhaupt nicht, und deshalb muss ich hier weg.

Annabelle kommt mir hinterher.

»Wo willst du denn hin?«, fragt sie entsetzt, »das Seminar geht doch noch den ganzen Tag!«

»Ich bitte dich«, sage ich, »was soll denn nach Jesus noch kommen?«, und hoffe, dass sie den Scherz kapiert. Tut sie aber nicht.

»Hast du ihn auch gesehen?«, will sie ernsthaft wissen, und ich weiß wirklich nicht, wie diese Frau meine Freundin sein kann.

So viel habe selbst ich verstanden. Beim Channeling spricht man durch andere. Also Jesus durch unsere Seminarleiterin Asmara. Deshalb kann man ihn auch definitiv nicht sehen, höchstens hören. Annabelle, meine Freundin, ist, unter uns gesagt, nicht das hellste Licht, aber dafür eine absolut hartnäckige Person. Immerhin hat sie mich zu diesem bescheuerten Seminar überredet. »Channeling mit Asmara« nennt sich diese dubiose Veranstaltung, zu der man nur eine warme Decke, etwas zu essen und die Teilnahmegebühr von zweihundertneunzig Euro mitbringen muss. Natürlich auch eine gewisse Empfangsbereitschaft. Um die geht es Asmara, der Channeling-Fachkraft, die nun ebenfalls vor die Halle tritt, wohl weniger.

»Hey Moment mal«, keift sie mich an, »was ist denn mit dir los? Wo willst du denn hin? Du hast deine Teilnahmegebühr noch gar nicht bezahlt!«

Wie profan. Da hat sie gerade Jesus in sich selbst entdeckt, und anstatt mit ihm ein wenig zu plaudern – da gäbe es doch sicherlich Interessantes zu erfahren und, unter uns, auch jede Menge offene Fragen –, rennt sie mir hinterher und grämt sich um ihre zweihundertneunzig Euro. Als ob Jesus nicht wesentlich mehr wert ist. Wenn sie clever wäre, hätte sie die Zeitung angerufen. Die Taunuszeitung. Für Jesus wäre vielleicht sogar jemand von der Bildzeitung erschienen.

»Jetzt ist mir