15.11.2007
Ich würde nur zu gerne behaupten, es sei früher losgegangen. Es sieht einfach nicht gut aus, wenn man spät dran ist. Spät dran mit Bob Dylan. Aber ich muss bekennen, dass ich dem alten Griesgram erst in die Arme lief, kurz bevor mit dem Erscheinen der Scorsese-Doku die Dylan-Entdeckerei zum popkulturellen Massensport mutierte. Es war etwa im Sommer 2004, als meine Festung fiel.
Das Seltsame ist, dass es eigentlich viel früher hätte passieren müssen. Ich war immer schon ein großer Fan des ehrbaren Singer/Songwriter-Gewerbes, und bis heute beanspruche ich auf diesem Gebiet ein gewisses Expertentum, das bitte jederzeit herausgefordert werden darf. Ich mag diese vermeintlich einsamen Burschen mit Gitarren, die Weltweises zum Besten geben und eine gewisse Autorität und Verletzlichkeit spazieren führen. Und ich rede hier nicht von all den sich an ihren eigenen aufgeblähten Empfindsamkeiten berauschenden Bettkanten-Zupfern, die in den letzten Jahren so viel Zuspruch bei Frauenzeitschriften- undNEON-Lesern erhielten, auch nicht von all den hauptberuflichen Bartträgern, die in einsamen Berghütten sitzen und es schaffen, auf ihren 4-Spur-Aufnahmen so zu klingen wie hauptberufliche Bartträger in den Siebzigern in 24-Spur-Studios.
Mir lag stets vielmehr jener Typus besonders, der einen deutlichen Pop-Bezug aufwies, vor allem mochte ich die Generation der in den Achtzigern zu erstem Ruhm gelangten Vertreter: Leute wie Robert Forster und Grant McLennan von den Go-Betweens, Lloyd Cole, vor allem aber mein großer Held, der hierzulande nahezu unbekannte Robyn Hitchcock. Gentleman-Singer/Songwriter, keine zerzausten Bartträger, denen kanaldeckelgroße Amulette um den Hals baumeln. Alle Genannten führten immer wieder Dylan als größten Held oder wichtigsten Einfluss an, und alle coverten sie ihn unermüdlich. Es war aber ausgerechnet mein Idol Robyn Hitchcock, der Hofkapellmeister meines Heranwachsens, der am unermüdlichsten auf Dylan verwies und sogar mal ein ganzes Album mit Dylan-Songs veröffentlichte. Mich interessierten jedoch immer mehr die anderen beiden Einflüsse Hitchcocks, Syd Barrett und John Lennon, und ich hörte ihn quasi als einen Zeitgenossen, der die Ideen dieser beiden Musiker weiterführte.
Immer wieder aber ging es in Hitchcock-Interviews um Dylan. Dann mal los, dachte ich mir und versuchte es. In geringen Dosen war ein Zugang möglich – es waren eher poppige Songs, die mir gefielen: »Love Minus Zero/No Limit« funktionierte sofort (und ist bis heute einer meiner liebsten Dylan-Songs). Auch »Lay Lady Lay« in seinem dreisten Country-Pop-Wahn dockte an. Aber ansonsten war kein Rankommen an Dylan möglich. Mein »Blood On The Tracks«-Album verstaubte im Regal, und selbst »Blonde On Blonde« versagte immer wieder. Ich schiebe dieses Scheitern vor allem meiner 3-Teile-Theorie in die schnöseligen Schuhe, der zufolge ein guter Song mindestens drei Parts aufzuweisen hatte, die bitte schön möglichst clever miteinander zu verweben waren. Und Dylan? Der kam oft mit einem einzigen Teil aus, der dann gerne mal über acht Minuten geschleppt wurde, in denen eine scheinbar zusammenhaltlose Band mühevoll dem Vortrag des Sängers hinterherbuckelte. Nein, das war nicht meine Welt! Ich dachte gar nicht daran, mich weiter mit dem Mann zu beschäftigen. Ich setzte ihn auf die »Liste der Musiker, die sich mir in diesem Leben nicht mehr erschließen werden«. Eine Liste, auf der sich neben Dylan noch Neil Young, The Who, Led Zeppelin, David Bowie, Kraftwerk und The Clash fanden. Bis auf Dylan finden sie sich alle immer noch auf dieser Liste, und ich vermute, dass sich daran nicht sonderlich viel ändern wird. Es sei hier kurz darauf hingewiesen, dass die »Liste der Musiker, die sich mir in diesem Leben nicht mehr erschließen werden« nicht zu verwechseln ist mit der »Liste der Musiker, die ich für vollkommen untalentiert halte und die hoffentlich bald mal Besuch von der Musikpolizei bekommen, die bitte auch bei ihren Fans mal gründlich nach dem Rechten sehen soll, w