: Peter Stamm
: Sieben Jahre Roman
: S. Fischer Verlag GmbH
: 9783104000749
: 1
: CHF 9,00
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: Gegenwartsliteratur (ab 1945)
: German
: 304
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Sonja ist schön und intelligent und lebt mit Alex. Eine vorbildliche Ehe, er müsste glücklich sein. Aber wann ist die Liebe schon einfach? Und wie funktioniert das Glück? Iwona wäre neben Sonja fast unsichtbar, sie ist spröde und grau. Aber Alex fühlt sich lebendig bei ihr - und weiß nicht, warum. Sie liebt ihn. Er trifft sie immer wieder, und als sie von ihm schwanger wird und das Kind kriegt, das Sonja sich wünscht, setzt er alles aufs Spiel. Peter Stamm erzählt so lakonisch und leidenschaftlich wie kein anderer von widerstreitenden Gefühlen und der Sehnsucht nach dem Leben. ?Sieben Jahre? ist ein großer Roman über die Zumutung des Glücks, geliebt zu werden.

Peter Stamm, geboren 1963, studierte einige Semester Anglistik, Psychologie und Psychopathologie und übte verschiedene Berufe aus, u.a. in Paris und New York. Er lebt in der Schweiz. Seit 1990 arbeitet er als freier Autor. Er schrieb mehr als ein Dutzend Hörspiele. Seit seinem Romandebüt »Agnes« 1998 erschienen sechs weitere Romane, fünf Erzählungssammlungen und ein Band mit Theaterstücken, zuletzt die Romane »Weit über das Land«, »Die sanfte Gleichgültigkeit der Welt«, »Das Archiv der Gefühle« und zuletzt »In einer dunkelblauen Stunde« sowie die Erzählung »Marcia aus Vermont«. Unter dem Titel »Die Vertreibung aus dem Paradies« erschienen 2014 seine Bamberger Poetikvorlesungen sowie 2024 die Züricher Poetikvorlesungen »Eine Fantasie der Zeit«. »Die sanfte Gleichgültigkeit der Welt« wurde mit dem Schweizer Buchpreis 2018 ausgezeichnet. Literaturpreise: Rheingau Literatur Preis 2000 Bodensee-Literaturpreis 2012 Friedrich-Hölderlin-Preis 2014 Cotta Literaturpreis 2017 ZKB-Schillerpreis 2017 Solothurner Literaturpreis 2018 Schweizer Buchpreis 2018

Sonja stand in der Mitte des hellerleuchteten Raumes, im Zentrum wie immer. Sie hielt den Kopf etwas gesenkt und die Arme nah am Körper, ihr Mund lächelte, aber ihre Augen waren zusammengekniffen, als blende sie das Licht oder als habe sie Schmerzen. Sie wirkte abwesend, ausgestellt wie die Bilder an den Wänden, die niemand beachtete und die doch der Anlass des Zusammenkommens waren.

Ich rauchte einen Zigarillo und beobachtete durch das große Schaufenster der Galerie, wie ein gutaussehender Mann auf Sonja zuging und sie ansprach. Es war, als erwache sie. Sie lächelte, stieß mit ihm an. Er bewegte den Mund, in ihrem Gesicht war ein fast kindliches Erstaunen zu sehen, dann lächelte sie wieder, aber selbst von hier aus sah ich, dass sie dem Mann nicht zuhörte, dass sie an etwas anderes dachte.

Sophie war neben mir stehen geblieben. Auch sie schien nachzudenken. Dann sagte sie, Mama ist die schönste Frau der Welt. Ja, sagte ich und streichelte mit der Hand über ihren Kopf. Das ist sie, deine Mutter ist die schönste Frau der Welt.

Es hatte seit dem Morgen geschneit, aber der Schnee schmolz, sobald er den Boden berührte. Mir ist kalt, sagte Sophie und schlüpfte durch die Tür, die eben jemand geöffnet hatte, in die Galerie. Ein großer, kahlköpfiger Mann war herausgekommen, eine Zigarette im Mund. Er blieb unangenehm nah vor mir stehen, als kennten wir uns, und zündete sich die Zigarette an. Krasse Bilder, sagte er. Als ich nicht antwortete, wandte er sich ab und ging ein paar Schritte von mir weg. Er wirkte plötzlich unsicher und etwas verloren.

Ich schaute noch immer durch das Schaufenster. Sophie war zu Sonja gelaufen, deren Gesicht sich aufhellte. Der gutaussehende Mann, der immer noch neben ihr stand, schaute etwas betreten, fast beleidigt auf das Kind. Sonja beugte sich zu Sophie hinunter, die beiden redeten kurz miteinander, und Sophie zeigte nach draußen. Sonja schirmte mit der Hand die Augen ab und schaute mit gerunzelter Stirn und einem irritierten Lächeln in meine Richtung. Ich war ziemlich sicher, dass sie mich nicht sehen konnte in der Dunkelheit. Sie sagte etwas zu Sophie und schob sie mit der Hand in Richtung Tür. Für einen Moment verspürte ich den Impuls zu fliehen, mich mit den Menschen treiben zu lassen, die von der Arbeit kamen und nur für einen Moment ins Licht traten, das aus der Galerie strömte. Die Passanten warfen einen kurzen Blick auf die eleganten, schön angezogenen Menschen und gingen dann eilig weiter und tauchten unter in der Masse, unterwegs nach Hause.

Ich hatte Antje seit fast zwanzig Jahren nicht gesehen, trotzdem erkannte ich sie sofort. Sie musste ungefähr sechzig sein, aber ihr Gesicht wirkte noch immer jugendlich. Na, sagte sie und küsste mich auf die Wangen. Noch bevor ich etwas erwidern konnte, trat ein junger Mann mit einem lächerlichen Bärtchen neben sie, flüsterte ihr etwas ins Ohr und zog sie am Arm von mir weg. Ich sah, wie er sie zu einem Herrn in schwarzem Anzug führte, dessen Gesicht ich vom Sehen kannte oder aus der Zeitung. Sophie hatte sich den Mann geschnappt, der sich vorhin an Sonja herangemacht hatte, und flirtete mit ihm, was ihn sichtlich in Verlegenheit brachte. Sonja hörte lachend zu, aber ich hatte wieder das Gefühl, sie sei in Gedanken anderswo. Ich ging zu ihr und legte ihr den Arm um die Taille. Ich genoss den neidischen Blick des anderen Mannes. Er fragte Sophie, wie alt sie sei. Was schätzen Sie, sagte sie. Er tat, als denke er nach. Zwölf? Sie ist zehn, sagte Sonja, und Sophie sagte, du bist gemein. Du gleichst deiner Mutter, sagte der Mann. Sophie bedankte sich und machte einen Knicks. Sie ist die schönste Frau der Welt. Sie schien sehr genau zu begreifen, was vor sich ging.

Macht es dir etwas aus, wenn ich mit Sophie vorausfahre?, fragte Sonja. Antje wird wohl bis zum Schluss bleiben müssen. Ich bot ihr an, Sophie nach Hause zu bringen, damit sie bleiben könne, aber sie schüttelte den Kopf und sagte, sie sei furchtbar müde. Sie und Antje hätten ja das ganze Wochenende zusammen.

Sophie hatte ihren Verehrer gebeten, ihr ein Glas Orangensaft zu holen. Er fragte, ob sonst noch jemand etwas zu trinken wolle. Hörst du auf, andere Leu