… so attraktiv, dass die Mädchen bis in unser abgelegenes Dorf geradelt sind, um sich mit ihm zu treffen. Ich versuchte, vom Aussehen meines großen Bruders zu profitieren. Ich spähte durch den Türspalt, sooft Rane ein Mädchen küsste und ihr an die Wäsche ging. Ohne es zu wissen, geilte somit jedes Mädchen gleich zwei Jungs auf. Vielleicht hätte ihnen das geschmeichelt, wenn sie es gewusst hätten.
Ich war dunkler und untersetzter als Rane und galt nicht als gefährlicher Bursche wie er. Vater behauptete sogar, ich wäre nicht sein Kind. Ich wünschte mir, er hätte recht gehabt. Andererseits widerte mich die Vorstellung an, Mutter hätte ihn betrogen.
Nach Vaters Tod sprach Mutter kaum noch von ihm, und Rane wurde mit keinem Wort mehr erwähnt. Sie hat seine Briefe aus der Haft vernichtet, Sirkka und ich haben den ganzen Dachboden nach ihnen abgesucht. Wir haben zwar nicht darüber gesprochen, aber wir wussten beide genau, was der andere suchte.
Manche Frauen verlieben sich grundsätzlich in Nichtsnutze und Arschlöcher, wie zum Beispiel die Frauen in unserer Familie, Mutter, Sirkka und Sara. Mutter hieß schon vor der Hochzeit Liimatainen, sie hat einen Vetter geheiratet, wie es auf dem Land selbst nach dem Krieg noch üblich war. Vater war im Krieg nicht eingezogen worden, er hatte ganz knapp unter der Altersgrenze gelegen. Das war ein Stachel in seinem Fleisch gewesen; neben den Veteranen, die kaum älter waren als er, fühlte er sich wohl wie ein kleiner Junge. Wahrscheinlich trank und prügelte er nur, um zu beweisen, dass er keiner war.
Manchmal überlege ich, welche Wahl man treffen sollte, wenn man sich seine Familie aussuchen könnte. Brauchen die Menschen eine glückliche Kindheit, oder bringen sie dann noch weniger zustande? Und was sollte dann aus den Schnapsfabrikanten, Therapeuten und Ärzten werden? Menschen wie Sara und ich halten die Volkswirtschaft in Gang. Als ich mein dreijähriges Künstlerstipendium bekam, bin ich noch am selben Tag mit dem Taxi nach Kirkkonummi gefahren und habe eine Kiste Schnaps gekauft. Sollen sich die Weiber im Dorf ruhig das Maul darüber zerreißen, wie der Schriftsteller seiner Berufung folgt. Solange ich schreibe, rühre ich keinen Alkohol an, aber um mich vom Schreiben zu erholen, brauche ich einen soliden Rausch.
Ich war nicht in der Küche, als Rane den Hammer auf Vaters Kopf niedersausen ließ, weil ich gerade zu Hartikainen wollte, um Schwarzgebrannten zu holen. Der Polizei habe ich das verschwiegen, um Hartikainen nicht in Schwierigkeiten zu bringen. Stattdessen habe ich behauptet, ich wäre draußen auf dem Abtritt gewesen, obwohl wir auch im Haus eine Toilette hatten. Die Polizisten waren ziemlich misstrauisch, weil keine Fingerabdrücke am Hammer waren. Da Rane kein Geständnis ablegte, blühte der Klatsch, und als Rane sich dann umbrachte, bedauerten seine Exfreundinnen den armen Jungen, der unschuldig ins Gefängnis geraten war.
Vor fast zwanzig Jahren, als mein erstes Buch erschien, erhob das Lokalblatt ein großes Geschrei, weil in dem Roman ein Mann vorkommt, der seinen Vater umbringt. Der Reporter glaubte offenbar, er hätte eine kriminalgeschichtlich wichtige Entdeckung gemacht. Mir war der Skandal nur recht, denn das Buch verkaufte sich dadurch umso besser. Zu meinem letzten Roman meinte irgendein Kritiker, bei Liimatainen ginge es wieder mal um symbolischen Vatermord, und grub die alte Geschichte aus. Ich habe die Sache mit keinem Wort kommentiert. Was gibt es da auch zu erklären.
Mutter war eine Frau vom alten Schlag, sie hat nicht jede Gefühlsregung, ob bei sich ode