Dokumentarfilm populär Michael Moore und seine Darstellung der amerikanischen Gesellschaft
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Verena Grünefeld
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Dokumentarfilm populär Michael Moore und seine Darstellung der amerikanischen Gesellschaft
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Campus Verlag
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9783593408712
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Nordamerikastudien
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1
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CHF 36.30
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Medienwissenschaft
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German
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336
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Wasserzeichen/DRM
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PC/MAC/eReader/Tablet
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PDF
Michael Moore hat mit Filmen wie »Bowling for Columbine« und »Fahrenheit 9/11« den Dokumentarfilm aus seiner Nische geholt. Kritiker bemängeln jedoch Moores fehlende Objektivität und sprechen gar von Manipulation. Mit Blick auf die Tradition des Genres hinterfragt Verena Grünefeld diese prinzipielle Forderung nach Objektivität und Realitätsnähe. Sie zeigt, mit welchen Darstellungsstrategien Moore stattdessen arbeitet, wie er Wirklichkeit vermittelt und dem Publikum emotionale Teilhabe ermöglicht. In Auseinandersetzung mit seinen Kritikern verweist sie auf die gesellschaftskritische Leistung des Filmemachers und seine Breitenwirkung als Impulsgeber für die öffentliche politische Debatte in den USA.
Verena Grünefeld promovierte am John-F.- Kennedy-Institut für Nordamerikastudien der Freien Universität Berlin.
2. Michael Moore und seine Filme 2.1. Populäre Unterhaltung auf Kosten der Wahrheit? In den achtziger Jahren beklagten Kritiker noch das Desinteresse des Publikums an Dokumentarfilmen. Trotz der historischen Verankerung des Genres auf der großen Leinwand waren die Filme meist von der wirtschaftlichen und, vielleicht noch entscheidender, von der kulturellen Institution des Kinos ausgegrenzt. Als Freizeitangebot spielte der Dokumentarfilm gegen die Konkurrenz der Spielfilme an der Kinokasse kaum eine Rolle. Alan Rosenthal erklärt in seinem 1988 erschienenen Buch, 'in the mid-1980s there is a feeling that documentary is in the doldrums and that unless the form can be revitalized or reenergized it will swiftly lose any general or social impact it ever had'. Man möchte fast anfügen, '- und dann kam Michael Moore'. Mit seiner provokativen, ironischen und subjektiven Erzähltechnik belebte er den Dokumentarfilm und brachte ihn vom Fernsehen zurück in die Kinosäle. Er zeigte, dass Filme des Genres, während sie auf gesellschaftliche Missstände aufmerksam machen, auch unterhalten können. Inzwischen, etwa zwanzig Jahre später, laufen seine Filme weltweit, zum Teil in Multiplex-Kinos. Sein Erfolg hilft anderen Regisseuren. Immer mehr, auch traditionellere, Dokumentarfilme finden den Weg auf die große Leinwand. Natürlich ist Moores Schritt in Richtung Entertainment nicht unumstritten. Im Jahr 2004, dem Erscheinungsjahr seines Bush-kritischen Films, beschäftigte das Thema Michael Moore unzählige Journalisten, andere Filmemacher, Zuschauer und sogar Politiker. Egal, ob man dem Regisseur wohlwollend oder mit Skepsis gegenüber steht, ihn zu ignorieren scheint schlicht unmöglich. Meist steht Michael Moore als Person selbst in der Kritik. Bei negativen Reaktionen auf seine Filme geht es nicht nur um deren Inhalt, sondern auch um ihren Status als Dokumentarfilm. Sonst eher ein Thema für Filmtheoretiker, werden nun die Aufgaben und Pflichten des Genres öffentlich diskutiert. Es ist zu bezweifeln, dass dies aus Sorge um das Schicksal des Dokumentarfilms geschieht. Vielmehr scheint es der einfachste Weg zu sein, Moore zu diskreditieren. Geboren 1954, wurde Michael Moore bereits als Achtzehnjähriger ins Schulamt seiner Heimat Davison, einem Mittelklassevorort der Stadt Flint, gewählt. Mit zweiundzwanzig Jahren gründete er seine eigene Zeitung, die Flint Voice (später Michigan Voice). Für kurze Zeit war Moore als Redakteur in San Francisco bei Mother Jones tätig, ehe er 1989 mit Roger and Me seinen ersten Dokumentarfilm präsentierte, wodurch ein breites Publikum auf ihn aufmerksam wurde. Inzwischen ist er weit mehr als ein Provinzjournalist und Amateurfilmer. Er ist weltbekannter Regisseur, Bestseller-Autor, politischer Aktivist, Polemiker und Humorist. Moore bedient sich verschiedenster Medien (Print, Film, Internet) und bietet viele Angriffspunkte. Bezüglich seiner Dokumentarfilme werden vor allem die vermeintlich verwerflichen Methoden seiner Darstellung von Realität hinterfragt. Die kritischen Stimmen kommen nicht nur aus dem Lager derjenigen, die Moores Politik ablehnen, sondern auch von denen, die seine politischen Überzeugungen teilen. Ist es bei diesen nur der Neid darüber, dass Moore alle Aufmerksamkeit auf sich zieht, während sie für die gleichen Ziele ebenso hart kämpfen? Verständlich wäre es. Obwohl Moore von Befürwortern für seine journalistischen Nachforschungen gelobt wird, sind viele der in seinen Filmen präsentierten Thesen bereits von anderen aufgestellt worden. Selten erlangten sie jedoch ähnliche Breitenwirkung. Michael Moore dagegen erreicht mit seiner Arbeit viele Menschen. Das scheint sein größtes Vergehen zu sein und ihn aus der Zunft der dokumentarischen Filmemacher fast zwangsläufig auszuschließen. Die fehlende Kommerzialisierung im Dokumentarfilm gilt für einige bis heute als ein wichtiges Merkmal des Genres. Moores Innovationen drängen seine Filme aus den traditionellen Genregrenzen. Umstritten sind neben der offensichtlichen Subjektivität der Rahmenhandlung mit dem einfachen Schema von Gut gegen Böse vor allem Moores gewagten Schlussfolgerungen sowie sein unvorsichtiger Umgang mit der Chronologie von Ereignissen. Moores Präsenz in seinen Filmen wir
Inhalt
6
Einleitung
8
1. Geschichte und Theorie des Dokumentarfilms
16
1.1. Begriffsbestimmung zum Dokumentarfilm
16
1.2. Geschichtliche Entwicklung des Genres
19
1.3. Theoretische Überlegungen zum Dokumentarfilm
36
1.3.1. Dokumentation versus Fiktion: Wirklichkeit als Referenzpunkt
39
1.3.2. Wahrheit versus Manipulation: Struktur und Authentizität der Darstellung
46
1.3.3. Objektivität versus Subjektivität: Voice of Documentary und Autorität des Films
52
1.3.4. Funktion des Dokumentarfilms: Hoffnung auf gesellschaftliche Veränderung
58
2. Michael Moore und seine Filme
68
2.1. Populäre Unterhaltung auf Kosten der Wahrheit?
68
2.2. Roger and Me
79
2.2.1. Prolog – Selbstinszenierung und Handlung
81
2.2.2. Documentary Voice – zwischen Interaktivität und politischer Argumentation
88
2.2.3. Michael Moore und seine Subjekte
94
2.2.4. Die Gleichgültigkeit der Macht
103
2.2.5. Reaktionen auf Roger and Me
107
2.2.6. Ein amerikanischer Rebell auf neuen Wegen
119
2.3. Bowling for Columbine
125
2.3.1. Dokumentarfilm á la Michael Moore
128
2.3.2. Moralische und gesellschaftspolitische Verantwortung
146
2.3.3. Michael Moore – Kultfigur im In- und Ausland
163
2.4. Fahrenheit 9/11
175
2.4.1. Reaktionen vor und nach dem Kinostart
176
2.4.2. Humor und Empathie
188
2.4.3. Dokumentarfilm als Wahlkampf
218
2.5. Sicko
234
2.5.1. Das Echo des Erfolgs
235
2.5.2. Neues Thema, alte Strategien
237
2.5.3. Weniger Moore – Müdigkeit oder Richtungswechsel?
242
3. Michael Moore und seine Folgen
250
3.1. Errol Morris – The Fog of War
251
3.1.1. »Truth Isn’t Guaranteed« – Wahrheitskonstruktion im Neuen Dokumentarfilm
252
3.1.2. The Fog of War
256
3.2. Morgan Spurlock – Super Size Me
268
3.2.1. Reality-Kino mit Folgen
269
3.2.2. Die Beweiskraft der körperlichen Erfahrung
270
3.2.3. Morgan Spurlock und Michael Moore
279
3.3. Davis Guggenheim – An Inconvenient Truth
284
3.3.1. Ein »wichtiger« Dokumentarfilm
285
3.3.2. Davis Guggenheim und Al Gore
286
3.3.3. Effektiver als Michael Moore?
298
3.4. Fazit – der Dokumentarfilm als Gegenöffentlichkeit
305
Literatur
316
Filme
334