: Manfred Bomm
: Mordloch Der vierte Fall für August Häberle
: Gmeiner-Verlag
: 9783839231968
: Kommissar August Häberle
: 12
: CHF 10.10
:
: Krimis, Thriller, Spionage
: German
: 373
: Wasserzeichen/DRM
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB/PDF
Ein neuer Fall für Kommissar Häberle: In einem Dorf auf der Schwäbischen Alb gibt es erheblichen Ärger. Ausgerechnet der Ortsvorsteher will einen riesigen Schweinestall bauen und zieht sich damit den Unmut der Einwohnerschaft zu. Während die Zugezogenen den Gestank fürchten, fühlen sich die Landwirte in ihrer eigenen betrieblichen Entwicklung behindert. Massive wirtschaftliche Interessen prallen aufeinander: Bauern bangen um ihre Zukunft, andere streben nach mehr Tourismus und die Betreiber von Windkraftanlagen versprechen sich zudem reichlich Rendite. Als eines Tages in einer nahen Höhle - dem so genannten 'Mordloch' - die Leiche eines Dorfbewohners gefunden wird, muss Kommissar August Häberle erkennen, dass die Welt in der kleinen Gemeinde alles andere als in Ordnung ist ...

Manfred Bomm, Jahrgang 1951, in einer kleinen Stadt am Rande der Schwäbischen Alb lebend, weiß, wovon er schreibt. Er ist als Journalist mit der Polizei- und Gerichtsarbeit eng verbunden. Sein erster Kriminalroman 'Himmelsfelsen' entwickelte sich bereits kurz nach dem Erscheinen zu einem riesigen Erfolg und hat den Autor weit über die Grenzen seiner schwäbischen Heimat bekannt gemacht.

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»Das ist eine bodenlose Unverschämtheit.« Die Stimme des Mannes zitterte, Schweiß stand ihm auf der Stirn. In dem Sitzungsraum des kleinen Rathauses von Waldhausen war es stickig und heiß, kein Wunder bei so vielen Zuhörern. Aus allen Räumen waren Stühle herbeigeschafft worden – trotzdem mussten sich einige mit Stehplätzen begnügen. »Ich fordere unseren Ortsvorsteher auf, noch heute zurückzutreten«, wetterte ein Mann, der in der hintersten Reihe aufgestanden war. Beifall brandete auf und zustimmende Zwischenrufe.

Der Redner, ein etwa 40-jähriger Mann mit gelockten blonden Haaren, war ein Zugezogener und sprach nicht den schwäbischen Dialekt, wie er hier oben auf der kargen Hochfläche üblich war. DieFremdlinge, die sich in dem kleinen Neubaugebiet niedergelassen hatten, wurden von den Einheimischen meist kritisch beäugt. Dieser Fall hatte sie nun alle auf eine Stufe gestellt. Der Mann hob die zur Faust geballte rechte Hand: »Wenn das Projekt realisiert wird, ist dieser Ort auf Jahre hinaus ruiniert.« Wieder klatschten die Zuhörer. »Vergessen Sie die Bemühungen um Fremdenverkehr. Vergessen Sie die idyllischen Dampfzugfahrten. Wenn es hier nur noch nach Schweinemist stinkt, locken Sie keinen einzigen Touristen mehr her.«

Die sechs Kommunalpolitiker, die dem Ortschaftsrat des gerade mal 210 Einwohner zählenden Albdorfes angehörten, schwiegen und auch der Vorsitzende Karl Wühler äußerte sich nicht. Er war, wie es die Vorschrift besagte, vom Sitzungstisch weggerückt, weil er an dem diskutierten Projekt, das seit Monaten die Gemüter erhitzte, beteiligt und deshalb befangen war. Sein Stellvertreter Max Mayer, ein Landwirt und hier oben aufgewachsen, hatte die Leitung der Sitzung übernommen. Auch seine Stirn war schweißnass. Seit Waldhausen in das nahe Geislingen an der Steige eingemeindet worden war, hatte es kein solch brisantes Thema auf der Tagesordnung gegeben. Natürlich durfte der Ortschaftsrat als kleinstes kommunales Gremium in Baden-Württemberg so gut wie nichts entscheiden und eigentlich nur gegenüber dem Gesamtgemeinderat eine Stellungnahme abgeben, wenn’s um örtliche Belange ging. Aber die Debatten konnten hitziger sein als im Rathaus der Stadt, drunten im Tal. Dort, so klagten die Ortschaftsräte oftmals war, man mit den Problemen ländlicher Bereiche viel zu wenig vertraut und nahm sie nicht ernst genug. Was scherten auch einen Stadtrat, dem es um das parteipolitische Süppchen ging, die provinziellen Probleme – wie etwa, ob man hier oben zur Ferkelzucht noch eine Eberhaltung brauchte!

Heute allerdings ging es um viel mehr: Ein riesiger Schweinestall sollte errichtet werden, ein geradezu industrieller Betrieb – und dies aus ganz unterschiedlichen Gründen. Während die Landwirte befürchteten, dass damit die vom Gesetz vorgegebene maximal zulässige Viehhaltung auf der Gemarkung ausgeschöpft sein würde, sie selbst dann also keine Erweiterungsmöglichkeit mehr hätten, beklagten die anderen Kritiker eine enorme Gestanksentwicklung.

»Der Herr Wühler hat bei der Annahme seines Amtes als Ortsvorsteher versprochen, Schaden von der Gemeinde fern zu halten. Und was macht er nun?« Der Redner bekam einen hochroten Kopf und hob die Stimme. »Er setzt alles daran, dass das Gegenteil geschieht. Wir alle, wie wir hier sitzen, werden keinen Tag mehr erleben, an dem es hier oben nicht stinkt. Und Sie als Landwirte«, er blickte auf die Zuhörer, die sich zu ihm umgedreht hatten, »Sie werden Ihre Betriebe nie mehr erweitern können, weil das Landratsamt sagen wird, pro Hektar dürften nur so und so viele Großvieheinheiten vorhanden sein. Wenn also der Herr Wühler tut was er will, dann werden Ihnen allen automatisch Grenzen gesetzt. Und zwar für immer.«

Wieder zustimmende Rufe und Beifall. Der Mann setzte sich und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Eigentlich sah die Gemeindeordnung keine Wortbeiträge von Zuhörern vor. Doch in den kleinen Teilorten nahm man das nicht so genau.

Während Wühler wie versteinert und bleich abseits des Tisches zusammen sank, ergriff Ortschaftsrat Klaus Hellbeiner das Wort: »Herr Flemming hat absolut Recht. Deshalb sollten wir das Vorhaben ablehnen, auch wenn die Stadtverwaltung behauptet es sei zulässig. Hier geht es um Waldhausen – und nicht um die Belange einiger Einzelner, die zulasten der Allgemeinheit Profit machen wollen.«

Erneut kam Beifall aus den Reihen der Zuhörer. Ein anderer Ortschaftsrat versuchte vergeblich, sein Schwäbisch zu verbergen und bekräftigte: »Wenn es so isch, dass wir des Thema nur abnicke dürfet, tret’ ich noch heut’ zurück.« Die Kollegin, die ihm gegenübersaß, teilte seine Einschätzung: »Ich sitz’ hier, um die Interessen Waldhausens zu vertreten – und auch wenn die Bürokraten in der Stadt behaupten, rein rechtlich sei nichts gegen dieses Projekt einzuwenden, lehne ich es ab.«

Jetzt erhob sich Wühler, ein großer stattlicher Mann knapp über 50, schlank und sportlich, mit leicht welligem braunen Haar und Schnauzbart: »Nicht als Ortsvorsteher möchte ich ein paar Sätze sagen«, begann er mit leicht unsicherer Stimme und löste sogleich einige Unmutsäußerungen der Zuhörer aus, »sondern als Privatbürger. Ich kann nur noch einmal feststellen, dass der Standort 400 Meter außerhalb des Ortes wäre und alle Berechnungen beweisen, dass in den Wohnbereichen keinerlei Geruchsbelästigungen zu befürchten sind.«

»Und bei Wind?«, rief ein Mann dazwischen. »Oder bei Nebel«, fügte ein anderer genervt hinzu. Wühler ließ sich nicht beirren: »Alle Wetterlagen und alle Windrichtungen sind in die Berechnungen eingeflossen.«

»Wühler gang hoim«

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