: Jack Slade
: Lassiter 2130 Die Ratte von New Orleans
: Verlagsgruppe Lübbe GmbH& Co. KG
: 9783838744629
: Lassiter
: 1
: CHF 1.80
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: Spannung
: German
: 64
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB

Zum Abschied beugte Pauline sich noch einmal über Tom Bristol und küsste ihn auf die Stirn. Tief wie ein Säugling schlief er. Sie hatte ihm ja auch genug Whisky gegeben, und alles, was ein Mann sonst noch so brauchte, um tief zu schlafen. Auf Zehenspitzen huschte sie aus dem Hotelzimmer und drückte die Tür hinter sich zu. Dann die Treppe hinunter und durch Hintertür und Hof auf die Gasse hinaus. Brandeilig hatte sie es. Tom Bristol war nur eines ihrer beiden Probleme. Das andere hieß Enrico Gomez. Mit beiden Männern war Pauline verlobt, aber keiner wusste vom anderen! Und nun hatte Enrico ein Telegramm geschickt, wollte am Abend in Houston sein und sie sehen...

»Jesus, hilf!« Pauline betrat das kleine Haus ihrer Amme, die auf ihr Kind achtgegeben hatte. »Du musst mir helfen, Anita«, flehte sie, »du musst mir die Karten legen.«

Anita runzelte die Stirn. »Du siehst aus, als hätte der Tod dir auf die Schulter geklopft.« Tadelnd schüttelte sie den Kopf. »So sieht keine Frau aus, die gerade aus den Armen ihres Geliebten kommt.«

»Du hast ja keine Ahnung …« Der Blick in das Gesichtchen ihrer Tochter beruhigte Pauline etwas. Meryl schlief so friedlich wie Tom drüben im Hotel. Pauline huschte ins Nebenzimmer, das sie und ihr drei Monate altes Töchterchen bewohnten, und legte das Kind in die Wiege dort.

»Ich weiß nicht, was ich tun soll«, sagte sie, als sie die Tür hinter sich geschlossen hatte. Sie setzte sich zu Anita an den Tisch und griff nach deren Hand. »Ein Mann, der mich liebt, kommt in die Stadt zurück. Er war über ein Jahr in den Rocky Mountains.«

»Ich dachte, der Mann, der dich liebt, heißt Tom, kam vor drei Tagen her und wohnt jetzt imTexas Star Hotel?« Anita kam aus dem Stirnrunzeln nicht mehr heraus.

»Das ist ja mein Problem! Was glaubst du, warum ich nicht wollte, dass Tom hier bei mir schläft? Was glaubst du, was passiert, wenn die beiden sich über den Weg laufen?« Pauline biss sich auf die Unterlippe. Tränen schossen ihr aus den Augen.

Anita musterte sie prüfend. »Sie wissen nichts von Meryl, stimmt’s?« Einmal mehr schien es Pauline, als könnte die Spanierin Gedanken lesen; sie nickte. »Und einer dieser beiden Kerle ist Meryls Vater?«

Pauline nickte erneut, senkte den Blick und griff in ihr Dekolletee. Ihre Hand schloss sich um das große Goldmedaillon, das sie an einer goldenen Kette um den Hals trug. »Ja …« Sie schluchzte und schniefte. »Ja, so ist es …«

»Jesses, Maria und Josef!« Anita fasste nach Paulines Kinn, hob ihren Kopf an und sah ihr in die Augen. »Ich hoffe, du weißt wenigstens, welcher von beiden.« Pauline holte das Medaillon aus ihrem Dekolletee und drückte es an die Lippen. »Wer? Sag schon! Rico oder Tom?«

Anita konnte so aufdringlich sein. Pauline schob die Hand der Amme weg. »Leg mir die Karten, ich bitte dich.«

»Die Karten werden dir nicht weiterhelfen, Pauline! Du musst dich entscheiden. Möglichst noch heute Abend, und möglichst bevor du diesen Rico am Hafen abholst.«

»Ich kann ihn nicht abholen, ich habe abends einen Auftritt imTexas Star Hotel. Leg mir die Karten, Anita! BITTE!«

»Leise!«, zischte Anita. »Das Kind …« Sie blickte zur Tür, und als sich dahinter nichts rührte, schn