Der gefesselte Odysseus Studien zur Kritischen Theorie und Psychoanalyse
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Joel Whitebook
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Der gefesselte Odysseus Studien zur Kritischen Theorie und Psychoanalyse
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Campus Verlag
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9783593404974
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Frankfurter Beiträge zur Soziologie und Sozialphilosophie
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1
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CHF 28.50
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Soziologische Theorien
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German
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243
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Wasserzeichen/DRM
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PC/MAC/eReader/Tablet
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PDF
Joel Whitebook verbindet Kritische Gesellschaftstheorie mit der Erforschung psychodynamischer Prozesse. In Fachkreisen längst bekannt, erregt der streitbare Psychoanalytiker und Philosoph zunehmend auch bei einem breiteren Publikum Aufmerksamkeit. Seine Ausführungen über Marx, Kant, Freud, Adorno, Arendt, Foucault, Honneth u. a. bieten sowohl eine Einführung in Schlüsselthemen der Gesellschaftskritik und Psychoanalyse als auch einen Einblick in die wechselseitigen Auseinandersetzungen und Kontroversen.
Joel Whitebook ist Philosoph und praktizierender Psychoanalytiker. Er lehrt und forscht am Department für Psychiatrie sowie am Zentrum für psychoanalytische Ausbildung und Forschung an der Columbia Universität in New York.
Allmacht und das radikal Böse. Über eine mögliche Annäherung zwischen Hannah Arendt und der Psychoanalyse Jetzt, da das von ihr so genannte 'schreckliche' zwanzigste Jahrhundert unter dem Zeichen von Gewalt zu Ende gegangen ist, tritt Hannah Arendt im Feld des politischen Denkens zweifelsfrei als eine seiner führenden Persönlichkeiten in Erscheinung. Zu ihren Lebzeiten wurde ihr Werk von einer kleinen und ergebenen Gruppe von Bewunderern geschätzt, niemals aber hatte es auch nur annähernd das Prestige, das es heute genießt. Das liegt nicht nur daran, dass Rezeption und Beurteilung des Werkes einer so vielschichtigen Denkerin eine gewisse Zeit benötigen, sondern ist auch dem Zusammenbruch des Kommunismus und, damit einhergehend, dem Niedergang einer bestimmten Form ideologischen Denkens sowohl im rechten wie im linken Lager zu danken. Arendts Denken war zu kompliziert und selbständig, als dass es sich in dem starren Raster der Zeit vor 1989 hätte verorten lassen. Sie ist verschiedentlich als ultralinks und als Kalte Kriegerin, als Vertreterin der liberalen Moderne und als rückwärtsblickende Klassizistin, als arrogant elitär und als radikale Demokratin beschrieben worden. Im Gegensatz zu denen, die Arendt unter ideologischen Blickwinkeln unterschiedlicher Couleur katalogisierten, sprach sie von sich selbst zutreffend als 'Selbstdenker' [dt. im Original] - als jemandem, die eigenständig denkt. Das gegenwärtige Interesse an Arendt resultiert aus der Tatsache, dass die Zeit nach dem Ende des Kalten Krieges nach einem Denker verlangt, der, obgleich postideologisch, uns dennoch bei der Formulierung einer umfassenden Analyse unserer Situation behilflich sein kann. In dieser Hinsicht ist Arendt genau die Richtige. Es gibt freilich eine Frage, die mir jahrelang keine Ruhe gelassen hat: Wie könnte man ihre Brillanz als politische Denkerin und ihre tiefe und unverrückbare Feindschaft nicht nur gegen die Psychoanalyse, sondern auch die Psychologie und die innere Welt im Allgemeinen, miteinander in Einklang bringen? Diese Frage will ich hier untersuchen. Bevor ich mich ihr zuwende, möchte ich jedoch eines feststellen: Die Paradigmenkrise in der amerikanischen Psychoanalyse hat das Feld selbst für politische Fragen weit stärker sensibilisiert und interessiert, als dies in den fünfziger und sechziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts der Fall war. Die alte Schule der Ich-Psychologie ist nicht selten als militant apolitisch wahrgenommen worden. Sie hat die soziopolitische Realität zum Beispiel unter Heinz Hartmanns 'durchschnittlich erwartbare Umwelt' subsumiert und es dabei bewenden lassen. Außerdem ist darauf hingewiesen worden, dass die amerikanische Psychoanalyse keineswegs so wertfrei war, wie Hartmann - der übrigens bei Max Weber studiert hatte - behauptete. In den fünfziger und sechziger Jahren arbeitete sie mehr oder weniger stillschweigend mit spezifischen Wertvorstellungen, und zwar denen der amerikanischen Mittelklassekultur der Nachkriegszeit. Die Gründe, weshalb die emigrierten Psychoanalytiker kulturell konservativ und gegenüber der Politik argwöhnisch waren, sind des öfteren diskutiert worden. Unter anderem waren es die Erfahrungen mit den Nationalsozialisten in Europa und mit dem McCarthy-Komitee hier, die sie zu einer solch willigen 'Anpassung' bewogen. (Wir sollten noch hinzufügen, dass Hartmann und seine Protegés einer großbürgerlichen Elite entstammten und diese Herkunft es ihnen ermöglichte, über den politischen Auseinandersetzungen zu stehen.) Auch wenn diese Haltung nachvollziehbar sein mag, nahm man sie ihnen im Amerika der Zeit nach den sechziger Jahren einfach nicht mehr ab. Die Verleugnung der soziopolitischen Realität ist einer der vielen Faktoren, die zur Krise der Ich-Psychologie geführt haben. Nach dieser Bemerkung möchte ich jedoch umgehend vor einer besonderen Gefahr warnen. Nur allzu oft glauben wohlmeinende Kritiker, ein gesellschaftliches und politisches Verantwortungsbewusstsein lasse sich in der Psychoanalyse dadurch schaffen, dass man die Idee der unbewussten psychischen Realität - mit ihren beunruhigenden antisozialen Implikationen - drastisch entschärft oder sie gar in Bausch und Bogen verwirft. Damit wechselt man lediglich von einer einseitigen Position zur entgegengesetzten, nicht minder einseitigen Position. Statt der Idee der psychischen Realität den Stachel zu nehmen, sollte die Psychoanalyse - so mein Standpunkt - das Verhältnis zwischen der Vorstellung einer starken psychischen Realität samt ihren Anstoß erregenden Implikationen und der gesellschaftlichen Wirklichkeit untersuchen. Dies ist eine in theoretischer Hinsicht bedeutsame Aufgabe, die sie auf ihre Tagesordnung setzen sollte. Es gibt eine Menge biographisches Material, mit dem man Arendts Antipathie gegen das Seelenleben erklären kann. Ihre jungen Jahre waren - mit dem sich lange hinziehenden und qualvollen Sterben ihres an Syphilis erkrankten Vaters, als sie sieben Jahre alt war; mit dem Tod ihres geliebten Großvaters bald darauf; mit der durch den Ersten Weltkrieg bedingten Flucht aus dem Haus ihrer Kindheit in Königsberg - voller Verluste. Sie hätte ihr Innenleben zum Gegenstand einer systematischen Erforschung machen können, um mit ihrem Leid fertig zu werden - eine Möglichkeit, die viele in psychoanalytische Behandlung geführt hat. Arendt schlug indessen einen anderen Weg ein. Wie Elisabeth Young-Bruehl in ihrer Biographie berichtet, entschloss sich Hannah Arendt mehr oder minder bewusst zur Ablehnung des Innenlebens. Ihr ganzes Leben lang - das allem Anschein nach von einer nicht unerheblichen Melancholie geprägt war - wandte sie sich der deutschen Gefühlsdichtung ihrer J
Dank
7
Inhalt
8
Vorwort
10
Psychoanalyse und Demokratie
16
Kritische Theorie und Psychoanalyse. Eine Verbindung von Marx und Freud
32
Gewichtige Objekte. Zu Adornos Interpretation von Kant und Freud
62
Allmacht und das radikal Böse. Über eine mögliche Annäherung zwischen Hannah Arendt und der Psychoanalyse
88
Hans Loewald: Ein radikaler Konservativer
106
Freud, Foucault und der »Dialog mit der Unvernunft «
130
Wechselseitige Anerkennung und die Arbeit des Negativen
170
Langsamer Zauber. Psychoanalyse und die » Entzauberung der Welt «
204
Drucknachweise
224
Literatur
226
Werkverzeichnis Joel Whitebook
242