Kapitel 3.1.3. Die Aussage und das Aussagenfeld:
Mit der Archäologie des Wissens nimmt Foucault an der Begrifflichkeit der Episteme und den diskursiven Formationen, wie er sie in der Ordnung der Dinge einführte, eine nachträgliche Verschiebung vor, und zwar durch die Einführung des Begriffs der Aussage. Indem er die konventionellen Einheiten der klassischen Geschichtsschreibung aufgibt und an ihre Stelle den Diskurs als den Untersuchungsgegenstand setzt, vervielfacht und vergrößert sich die zu untersuchende‚Einheit’. Sein Problem gilt der Entstehung von bestimmten Typen von Diskursen, der Bestimmung der Regeln, die innerhalb dieser Diskurse herrschen und die festlegen, wann eine Aussage zu einem Diskurs gehört und wann nicht. Die Aussage, weder kleinster Teil noch„Atom des Diskurses“, zentriert sich in einem komplexen Bedingungsgefüge. Foucault entwickelt nun eine Methode, die es ihm erlaubt, sich– ohne die inneren Bedingungen, die das Verständnis von Sprechakten lenken, berücksichtigen zu müssen– rein auf das zu konzentrieren, was‚wirklich’ gesagt oder geschrieben wurde und wie dies in die Diskursformation eingepasst ist. Die Aussage ist die Spur, die der Diskurs zurücklässt, sie wird jedoch nicht als ein geheimes Zeichen entziffert, sondern so akzeptiert, wie sie ist: zu einer diskursiven Formation zugehörig. Sie ist eine Spur und damit gibt sie Aufschlussüber die Gesetzmäßigkeiten bzw. die Formationsregeln, denen sie entstammt. Die Gesetzmäßigkeit der Diskurspraxis verkörpert sich sozusagen in den zugehörigen Aussagen. Diskursive Formation und Aussage stehen in einem ko-konstitutiven Verhältnis. Die Korrelation von Aussage und diskursiver Formation ist also auf der theoretischen Ebene„ein wechselseitig definitorisches, die Begegnung und gleichzeitige Grenzziehung zweier Räume: des zentralen Raumes, in dem die Aussage erschienen ist, und eines sie umgebenden Raumes, der die Möglichkeitsbedingung der Verkettung von Aussagen bzw. ein Gesetz der Koexistenz installiert.“ Das heißt die Aussage trägt in sich das Gesetz ihrer Entstehung und gleichzeitig repräsentiert sie dieses Gesetz durch ihr Auftreten.
Aussage und Aussagefunktion:
Zur Verwirrung seiner Leser gebraucht Foucault die Begriffe Aussage und Aussagefunktion, als wären sie identisch. Es lässt sich jedoch eine kleine Differenz markieren, die zum Verständnis der verschiedenen Beobachtungslagen ein und desselben Phänomens beiträgt. Die Differenz legt den Fokus auf die Synchronizität der Aussage als etwas Positivierendes (zu einer bestimmten diskursiven Formation zugehörige Aussagefunktion) und als etwas Positives (Aussage als eingeschriebenes Gesetz in einer Zeichenkette). Die Aussage ist zunächst einmal selbst bedingt, darin unterscheidet sie sich noch nicht von z.B. einem Satz. Sie ist aber auch Funktion, indem sie Bedingung für etwas ist und zwar die so genannte Existenzfunktion für Zeichen. Die diesen Zeichen eigene Existenzmodalität ist dann wiederum die Aussage (insofern ist sie selbst bedingt). Diese seltsame Charakterisierung der Aussage führt zu der paradoxen Einsicht, die Aussage sei weder sichtbar noch verborgen. Mit diesen Eigenschaften hebt sie sich also deutlich von dem ab, was die Logik eine Proposition nennt, oder die Grammatik einen Satz. Sie ist ebenfalls keine Einheit, wie ein materieller Gegenstand es sein könnte, der seine Grenzen und seine Unabhängigkeit besitzt. Sie ist in ihrer besonderen Seinsweise unerlässlich dafür, dass man sagen kann, ob ein Satz oder eine Proposition vorliegt.
Die Frage nach der Aussage ist nicht identisch mit der Frage nach der grammatikalischen Korrektheit eines Satzes oder der Frage nach der Verifikation bzw. Falsifikation einer logischen Proposition. Die Aussage lässt sich |