: Melanie Raschke
: Im Computerspiel bin ich der Held'. Wie virtuelle Welten die Identitätsentwicklung von Jugendlichen beeinflussen
: Diplomica Verlag GmbH
: 9783836603652
: 1
: CHF 29.40
:
: Angewandte Psychologie
: German
: 110
: kein Kopierschutz/DRM
: PC/MAC/eReader/Tablet
: PDF

Jugendliche und junge Erwachsene suchen Anerkennung und Bestätigung in neuen virtuellen Welten. Virtuelle Welten sind die neuen Medien des Computers. Die Spiele, Internet-Foren, Online-Tagebücher, Chats und Netzwerkspiele gelten als die neuen Spielplätze und Jugendtreffs der jungen Generation. Hier sind sie Helden und ihre Schwächen lassen sich durch den Computer verbergen. Es ist eine Welt, die wie unsere reale Welt Weihnachten feiert, in der eine virtuelle Sonne untergeht, neue Freunde gefunden werden und Liebesbeziehungen entstehen. Doch berühren sich Chatter, und Spieler nicht mehr körperlich, ihre in der virtuellen Welt, beschriebenen Charaktere bekommen einen verbalen Kuss, und/oder computeranimierte Vertreter umarmen sich in künstlichen Wohnzimmern. Die User des Internets und die Computerspieler des 21. Jahrhunderts leben körperlos in einer globalen Welt. Dies wirft die Frage auf, wie sich unsere Gesellschaft durch die neuen Medien verändert.

Dieses Buch befasst sich mit der Thematik des Einflusses der virtuellen Welten, auf die Identitätsentwicklung. Dabei wird Diskutiert, inwieweit sie als Bühnenräume den Jugendlichen eine Chance zur Weiterentwicklung der Identität bieten oder eine Gefahr zur Identitätsdiffusion besteht.

Auch Eltern und Pädagogen schauen besorgt auf den Einfluss des Internets und des Computers. Wie beeinflussen sie die Entwicklung der jungen Menschen? Nicht jeder der im Computerspieler auf Menschen schießt, tut dies auch im wirklichen Leben. Aber welchen Einfluss müssen die gegenwärtigen Erwachsen nehmen um die zukünftige Gesellschaft vor einem Realitätsverlust und einem körperlosen Leben zu bewahren? Die vorliegende Arbeit zeigt die Gefahren der neuen Medien, aber auch die Möglichkeiten ihre Faszination in der pädagogischen Arbeit einzusetzen.

Kapitel 4.5, Das Individuum als Rollenspieler:

Verschiedene Theorien erläutern die Darstellung der Identität des Individuums als aktive Aufgabe eines Rollenspiels. Die Grundlage entwickelte George Herbert Mead (1863–1931) mit seinen beiden Rollenaufgaben:„role-taking“ und„role-making“. Das„role-taking“ setzt sich aus derÜbernahme antizipierter Sichtweisen und Erwartungen des Handelnden zusammen. Ein Beispiel: Die Jugendliche kennt die Reaktion der Mutter, wenn sie nach dem abendlichen Discobesuch verspätet zu Hause erscheint. Sie kann direkt die erwartete Rolle der unzuverlässigen Tochterübernehmen. Sieübernimmt also die Erwartungen,„role-taking“. Ferner kann sie ihre eigenen Identitätsentwürfe mit einbringen, die nicht deckungsgleich mit den Erwartungen der Mutter sein müssen. So gestaltet sie ihre eigene Rolle,„role-making“. Zum Beispiel erklärt das Mädchen seine Verspätung, die durch das Trösten der besten Freundin beim Liebeskummer entstanden ist. Es zeigt hierdurch zusätzlich sein soziales Verantwortungsbewusstsein.

Aus den Interaktionsmöglichkeiten des„role-making“ und„role-taking“ entsteht Meads Identitätsmodell. Dies besteht aus Self, me und I. Das Self, die sogenannte Identität, entsteht aus den beiden Größen me und I. Das me besteht aus den von anderen verinnerlichten Einstellungen, also aus„role-taking“. Während das I individuelle Antworten auf die Erwartungen besitzt,„role-making“. Krappmann führt diese Rollentheorie weiter aus. Er spricht von einer Identität, die wir aktiv in Interaktionen erhalten. Durch verschiedene internalisierte Verfahren pendeln wir zwischen den eigenen Bedürfnissen und den Erwartungen anderer hin und her. Auf der Grundlage unserer eigenen Biographie, die immer Unterschiede zur Lebensgeschichte von anderen aufweist, erhalten wir individuelle Identitäten. Die Interaktion bildet bei Krappmann die Basis der Theorie der„balancierende Identität“.

Das Individuum ist bemüht, in einer Interaktion seine eigenen Bedürfnisse zu erfüllen. Allerdings ist die Voraussetzung für die Entstehung und Aufrechterhaltung von Interaktion die Miterfüllung der Erwartungen des Gegenübers. Dennoch führt eine vollständige Aufgabe der eigenen Erwartungen nicht zur Identität: Menschen, die vollständig die an sie gestellten Erfordernisse erfüllen, heben sich nicht mehr von dem entworfenen Bild der anderen ab. Sie besitzen keine einmaligen, individuellen Merkmale mehr, die sie als Individuum auszeichnen. Macht und Herrschaftsstrukturen, wie sie in totalitären Institutionen und in restriktiven Gesellschaften zu finden sind, verhindern ebenfalls die Bildung von Identitäten. Auch für den Machtinhaber selbst, da„[…] die Anerkennung seiner Erwartungen, die […] [ihn] einhol[(t)en], leer [sind]“.

Bei der ersten Kontaktaufnahme beschnuppern wir uns vorsichtig, wir schauen und hören, was unser Gegenüber erwartet. Die Individuen spielen Rollen aus den Vorausschauungen. Oft erfolgt die Erfüllung der Rollenerwartung durch die im Sozialisationsprozess erworbene Internalisierung der Erwartungen. Unsere Gesells

INHALTSVERZEICHNIS3
Abbildungsverzeichnis5
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS7
GLOSSAR8
1 Einleitung9
2 Die Lebensabschnitte des Jugendalters11
2.1 Entwicklungs aufgaben des Jugendalters11
2.2 Die Identitätsentwicklung und ihre Krisen im Jugendalter nach Erikson13
2.3 Zusammenfassung15
3 Gesellschaftliche Entwicklungen zu Beginn des 21. Jahrhunderts16
3.1 Gesellschaftliche Veränderungen16
3.2 Verlust des öffentlichen Raums18
3.3 Technische und mediale Entwicklungen im 21. Jahrhundert20
3.3.1 Mediennutzung in der Freizeit von Jugendlichen20
3.3.2 Soziale Unterschiede in der Nutzung22
3.3.3 Technische Möglichkeiten des Computers und des World Wide Web23
3.4 Neue Welten - virtuelle Welten25
3.4.1 Die verschiedenen Welten27
3.4.2 Immersion und Flow32
3.5 Beispielhafte Übersicht über die Medien der virtuellen Welten32
3.6 Zusammenfassung34
4 Veränderungen der Identitätstheorien im 21. Jahrhundert35
4.1 Die Theorie der Umbruchserfahrungen nach Keupp35
4.2 Narrationen als Grundlage der Identitätsbildung38
4.3 Kohärenzgefühl40
4.4 Aushandlungsprozess und Passungsarbeit41
4.5 Das Individuum als Rollenspieler42
4.6 Zusammenfassung50
5 Die virtuelle Welt als Bühnenraum der Identität des Jugendlichen51
5.1 Motivationsbezüge für die Nutzung virtueller Welten51
5.2 Identitäten ausprobieren im Computerspiel und im Internet55
5.2.1 Identitätsangebote im Computerspiel55
5.2.2 Präsentationsmöglichkeit Nickname, Homepage und Co.59
5.2.3 Schneller Kontakt oder Wie fremd ist mein Gegenüber eigentlich?62
5.3 Kompensation durch Computerspiel und Internet64
5.3.1 Verarbeitung im Spiel64
5.3.2 Wenig Erfolge im Alltag, schnelle Erfolge im Computerspiel67
5.3.3 Der Chatroom als Kontaktraum für die Jugendlichen72
5.4 Zusammenfassung75
6 Pädagogische Bedeutung76
6.1 Möglichkeiten der virtuellen Welt in Bezug auf die Identitätsentwicklung77
6.1.1 Gestalten einer eigenen Homepage78
6.1.2 Spielcharaktere gestalten und darüber ins Gespräch kommen79
6.2 Gefahren der Nutzung virtueller Welten81
6.2.1 Rausch, Sucht, Identitäts- und Realitätsverlust81
6.2.2 Der Verlust der Körperlichkeit85
6.2.3 Pädophilie im Internet87
6.3 Pädagogische Umgangsmöglichkeiten87
6.4 Zusammenfassung90
7 Schlussbetrachtung92
Anhang95