Eine erfolgreiche, betriebliche Krankheitsprävention kann nicht nur wesentlich dazu beitragen, das individuelle Wohlbefinden der Mitarbeiter zu erhöhen, sie kann auch die betrieblichen Kosten, die als Folge von Krankheiten entstehen, eindämmen und sich deshalb betriebswirtschaftlich günstig auswirken. Die Praxis der Betrieblichen Gesundheitsförderung stellt sich allerdings immer noch weitgehend als ein Flickenteppich von Einzelaktionen, Kursen und Angeboten zur Verhaltensänderung dar, deren Wirksamkeit häufig nicht kontrolliert wird. Das Buch informiertüber die Ergebnisse und die Wirksamkeit von gesundheitsbezogenen Einzelinterventionen in Organisationen und zeigt am Beispiel von Rückenerkrankungen, welche der Verhaltens- und Verhältnispräventio en wissenschaftlich abgesichert und effizient sind. In diesem Band wird erstmals der Versuch unternommen, die individuelle mit der organisatorischen Perspektive von Gesundheitsförderungsma& zlig;nahmen zu verbinden. Das Buch bietet zunächst Basisinformationen zur betrieblichen Gesundheitslage sowie zu den Grundlagen einer gesundheitsförderlichen Arbeits- und Organisationsgestaltung und Personalführung. Es wird dargestellt, wie gesundheitliche Förderprogramme auf der individuellen Verhaltensebene ansetzen können, um eine positive Bereitschaft zur Verhaltensumstellung zu erzielen. Von großer Bedeutung sind in diesem Zusammenhang auch Kenntnisseüber die erfolgreiche Gestaltung von gesundheitsbezogenen Kommunikationsprozessen im Betrieb. Entsprechend wird erläutert, welche Funktion und Strukturen ein effizientes Gesundheitsmanagementsystem hat, wie die Einbindung der Führungskräfte in Präventionsmaßnahm n erfolgen kann und welche Rolle der Einsatz von Personalsystemen für das Gesundheitsmanagement spielt.Die Autoren Prof. Dr. Bernhard Zimolong, geb. 1944. 1965-1970 Studium der Psychologie in Münster. 1974 Promotion. 1981 Habilitation. Seit 1984 Lehrstuhlinhaber für Arbeits- und Organisationspsychologie an der Ruhr-Universität Bochum. Arbeits- und Forschungsschwerpunkte: Betriebliche Gesundheitsförderung, Personal- und Teamentwicklung, Qualitätsmanagement, Entwurf und Gestaltung gebrauchstauglicher Softwaresysteme. Prof. Dr. Gabriele Elke, geb. 1948. 1968-1971 Studium des Lehramts. 1972-1979 Studium der Psychologie in Bochum. 1986 Promotion. 1999 Habilitation. Seit 2005 außerplanmäß ge Professorin für Arbeits- und Organisationspsychologie an der Fakultät für Psychologie der Ruhr-Universität Bochum. Arbeits- und Forschungsschwerpunkte: Personal- und Organisationsentwicklung, Führung, Management des betrieblichen Arbeits- und Gesundheitsschutzes, Dienstleistungs- und Qualitätsmanagement, Innovative Arbeits- und Organisationsgestaltung, Entwicklung von Instrumenten zur Organisationsdiagnose und Gesundheitsförderung. Prof. Dr. Hans-Werner Bierhoff, geb. 1948. 1966-1970 Studium der Psychologie in Bonn. 1974 Promotion. 1977 Habilitation. Seit 1992 Lehrstuhlinhaber für Sozialpsychologie an der Ruhr-Universität Bochum. Arbeits- und Forschungsschwerpunkte: Gesundheitspsychologie, Fairness und Gerechtigkeit, Freiwilliges Arbeitsengagement und Prosoziales Verhalten, Kundenzufriedenheit, Zivilcourage, Ehrenamtliche Hilfe, Enge Beziehungen.
5 Prävention von Rückenerkrankungen (S. 139-140)Kapitel 5 imÜberblick Rückenschmerzen nehmen den ersten Rang bei den„Volkskrankheiten" ein. Zunächst behandelt das Kapitel die Ursachen, den Verlauf und die Krankheitskosten. Die Entstehung und insbesondere die Chronifizierung von Schmerzen ist in den meisten Fällen ein multidimensionaler Prozess, der erst im Rahmen eines biopsychosozialen Modells verständlich wird. Die evidenzbasierten Risikofaktoren, also die nachgewiesenen Einflussgrößen für den Rückenschmerz, werden nach arbeitsplatzbezogenen, psychosozialen und individuellen Faktoren geordnet und ausführlich dargestellt. Die Präventionsstrategien lassen sich in die beiden Teilstrategien Verhaltens- und Verhältnisprävention unterscheiden. Zur Verhaltensprävention zählen u. a. Rückenschulen. Die Schulen alter Art scheinen wirkungslos zu sein, dagegen versprechen Rückenschulen neuer Art, die aus einer Kombination von Gesundheitsinformation und Bewegungsmodulen bestehen, recht wirkungsvoll zu sein. Auch Verhaltensprogramme, die einen Schwerpunkt auf kognitiv-verhaltenstherapeutische Ansätze legen, haben positive Auswirkungen auf die krankheitsbedingten Fehlzeiten. Nicht ganz so eindeutig ist die Befundlage bei den ergonomischen und arbeitsorganisatorischen Interventionen. Sie bilden das Rückgrat der Verhältnispräventionen. Als isolierte Maßnahmen scheinen sie nur einen geringen Einfluss zu haben, in Kombination mit verhaltensorientierten Interventionen ist ihr Einfluss nachweisbar. Daraus lässt sich der Schluss ziehen, dass zur Prävention von Rückenproblemen am Arbeitsplatz am ehesten Verhaltens- und multidimensionale ergonomische Verhältnispräventionen geeignet sind.5.1Ätiologie, Verlauf und Krankheitskosten Rückenerkrankungen bzw. das Symptom„Rückenschmerzen" mit seinen Konsequenzen gehört in Deutschland, wie in allen westlichen Industrienationen, zu den„Volkskrankheiten" mit erheblichen Konsequenzen für den Betroffenen wie auch für die Gesellschaft. Unter den Ursachen für Arbeitsunfähigkeitstage, Rehabilitationsmaßnahmen und Frühberentungen nehmen sie, als vorherrschende Subgruppe der Diagnosegruppe muskuloskelettale Erkrankungen (MSE) jeweils den ersten bzw. zweiten Rangplatz ein. Mit„Rückenschmerzen" werden in Deutschland Schmerzen im Bereich der Brust- und Lendenwirbelsäule und des Kreuzbeins bezeichnet. Man spricht vom„Rücken" und meint die Brustwirbelsäule. Mit dem„Kreuz" ist die Lendenwirbelsäule gemeint. He xenschuss und Ischias sind typische Kreuzschmerzen an unterschiedlichen Stellen. Abgegrenzt werden Schmerzen in der Nackenregion, den Schultern und den Hüften. Den größten Anteil an Muskel-Skelett-Beschwerden haben Rückenschmerzen mit 60 % aller Fälle. Im Gegensatz hierzu wird im angloamerikanischen Sprachgebrauch häufig der Begriff„Low Back Pain" verwendet. Dieser bezieht sich auf die Region zwischen dem Unterrand der 12. Rippe und einem Teil des Kreuzbeins (Glutealfalten). Der obere Anteil des Rückens wird nicht miteinbezogen. Ausätiologischer Sicht werden„spezifische" und„unspezifische" Formen von Rückenschmerzen unterschieden. Spezifische Rückenschmerzen sind solche, bei denen somatische Ursachen als Auslöser der Beschwerden diagnostiziert werden können. Hierzu gehören traumatische, entzündliche und tumoröse Veränderungen an der Wirbelsäule, systemische Erkrankungen (z.B. Osteoporose), aber auch Bandscheibenvorfälle, die Druck auf Nervenwurzeln ausüben. Unspezifische Rückenschmerzen liegen dann vor, wenn sich für die Beschwerden kein somatischer Auslöser findet und sich kein zentraler Pathomechanismus erkennen lässt. In etwa 80 bis 85 % der Fälle lassen sich die Rückenschmerzursachen nicht klären (Burton, Eriksen& Leclerc, 2004), sie sind als unspezifisch (im englischen Sprachgebrauch auch als„mechanical",„idiopathic" oder„common") zu klassifizieren (ICD10: M 54.9). Im US-amerikanischen Sprachgebrauch werden am Arbeitsplatz aufgetretene unspezifische Rückenschmerzen auch unter dem Begriff„back injuries" geführt. Dies geschieht vor dem Hintergrund des amerikanischen Versicherungswesens, wonach Arbeitern nur nach arbeitsbedingten„Verletzungen" Lohnersatzleistungen zustehen.