4 Was man selbst unternehmen kann ( S. 35)
Zu den leicht einsetzbaren Selbsthilfestrategien zählen die Fähigkeiten, die Erkrankung und ihre Begleitumstände in angemessener Form zu kommunizieren, plötzliche, aufregungsbedingte Symptomanstiege abzufangen sowie die Lebensführung auf die Erkrankung einzustellen, sich aber so wenig wie möglich aus dem aktiven (sozialen) Leben zurückzuziehen.
4.1 Wie spreche ich mit anderenüber meine Symptome?
Vielen Patienten fällt es ausgesprochen schwer, von sich aus die auffälligen und nicht selten auch befremdlichen oder gar unästhetischen Symptome anzusprechen. Das Resultat ist oft ein Rückzug aus dem sozialen Umfeld und eine Reduzierung auf den engsten Familienkreis– der den Verlust der Freunde und Aktivitäten aber nicht vollständig ersetzen kann. Nicht selten resultieren daraus Beziehungs- und Kommunikationsprobleme (vgl. Kapitel 2.2), die das Leben unnötig erschweren.
Um dem entgegenzuwirken, ist es hilfreich, sich zunächst zuüberlegen, wo"überhaupt eine Notwendigkeit entstehen könnte, andereüber die Erkrankung ins rechte Bild zu setzen. Das sind vor allem ganz alltägliche zwischenmenschliche Situationen (vgl. Kasten).
Beispiele – Ein Lehrer/leitender Angestellter o.Ä. steht morgens vor seiner Klasse/ seinen Mitarbeitern.
– Auf einem Familienfest wird ein Patient mit neuen Gästen konfrontiert.
– Eine Patientin möchte abends ausgehen und dabei ggf. auch einen Partner kennen lernen.
– Eine Patientin möchte an Gruppenaktivitäten teilnehmen, kann aber bei bestimmten Unternehmungen nicht mithalten.
– An der Supermarktkasse oder am Bankschalter baut sich durch die motorische Ungeschicklichkeit und die dadurch bedingte zeitliche Verzögerung eine lange Schlange auf.
– Im Sportverein/der Firma/der Familie ist eine Ansprache zu halten/ Ehrung auszusprechen etc.
– An einer Bushaltestelle oder einem anderen Platz wird gespottet („Sieh mal, der Betrunkene",„… die Verrückte" etc.).
Derartige Situationen sind für die meisten hochgradig schambesetzt. Die Betroffenen versuchen, ihre Symptome zu verstecken und„irgendwie zu funktionieren". Dadurch steigt die Anspannung und die Symptome bilden sich kurzzeitig stärker aus als„eigentlich" nötig. Und oft ziehen sich die Betroffenen völlig aus derartigen Situationen zurück. Die Folge ist dann ein gravierender Verlust von Quellen potenzieller Freude und Anerkennung.
Besser ist es dagegen, sich zuüberlegen, wie man– angepasst auf die jeweilige Situation– verbal reagieren könnte. Dabei sollte die Information kurz, knapp und anschaulich sein, keine Schönfärberei enthaltene, aber auch nicht dramatisieren oder falsche („Schüttellähmung") beziehungsweise missverständliche („Nervenleiden") Begriffe enthalten (vgl. Kasten).
Besser: Verständliche und knappe Informationen geben
– Nicht mehr als drei bis fünf Sätze! – Keine Fremdworte! – Was ist intakt? –„Kleine Ursache– große Wirkung"! – Schwankungen sind normal! – Verschlechterungen sind oft abhängig von konkreten Auslösern! – Verständliche Bilder nutzen! – Jeder Verlauf ist anders!
Statt also zu sagen:
„Ich habe Morbus Parkinson, das ist eine neurodegenerative Hirnerkrankung, die den von Ihnen sicherlich schon bemerkten Tremor bewirkt", ist es viel verständlicher, beispielsweise zu sagen:„Wundern Sie sich bitte nicht, wenn ich morgens ein wenig unsicher stehe und zittere, das liegt nicht etwa an einem abendlichen Alkoholkonsum, sondern an einer Erkrankung, bei der die Koordination der Muskulatur nicht ganz genau funktioniert". |