Anforderungsorientierte Beratung (S. 29-30)
Eva Bamberg
1 Einleitung
Organisationsberatung hat in den letzten Jahrzehnten an Bedeutung gewonnen. Auch der Umfang der einschlägigen Literatur wuchs beträchtlich. Die Inhalte der Veröffentlichungenüber Beratung sind aber insofern relativ homogen, als empirische Publikationen eine Minderheit bilden. Die wenigen empirischen Veröffentlichungen berichten meistüber Befragungen von Beratern1 mithilfe von Interviews oder Fragebogen. Dagegen sind Beratungsprozess und Evaluierung von Beratung kaum Gegenstand von Untersuchungen.Überblicksartikel zum Vergleich verschiedener Beratungskonzepte und Darstellungen spezifischer Beratungsansätzeüberwiegen. Beratung nach dem Konzept der Organisationsentwicklung und nach dem systemischen Ansatz wird in der psychologischen und soziologischen Literatur besonders häufig behandelt.
Bei einer Sichtung der Publikationen zu Organisationsberatung fällt ein wiederkehrendes Schema auf:Verschiedene Beratungsansätzewerden dargestellt, das Scheitern eines oder mehrerer dieser Ansätze (z. B. der Expertenberatung) wird konstatiert. Dies erfolgt durch einen Verweis auf Grundannahmen oder Menschenbilder, die mit dem Beratungskonzept nicht vereinbar seien und/ oder es wird mit Praxisbeispielen argumentiert, die das Misslingen der Beratung drastisch veranschaulichen. Daraus wird die Notwendigkeit abgeleitet, einen anderen Ansatz (nämlich den der Autoren) zu verfolgen. Die Autoren grenzen diesen anderen Ansatz von dem kritisierten ab und verweisen auf seineÜberlegenheit: Er spiegle die Realität besser wider, werde aktuell diskutierten Normen und Werten (Beteiligung, Selbstorganisation, Selbstreflexion…) besser gerecht, altbekannte Probleme, die in der Beratungspraxis auftreten, würden durch ihn vermieden, wenn nicht gar behoben.
In etwa nach diesem Muster wurden in den letzten Jahren diverse Ansätze zu Beratung diskutiert, wobei vor allem die Differenzen zwischen den Konzepten betont wurden. Die Diskussionen erinnern an einen Streit zwischen Schulen, der auf einer sehr grundsätzlichen Ebene geführt wird und der Besonderheiten des jeweiligen Beratungsgegenstandes und der spezifischen Handlungsbedingungen kaum berücksichtigt.
Im vorliegenden Kapitel sollen einige verbreitete Beratungskonzepte diskutiert werden. Von Interesse ist, ob in der Praxis der Beratungstätigkeit die Trennung der verschiedenen Konzepte aufrechterhalten wird. Eine Verbindung unterschiedlicher Beratungsansätze in der praktischen Arbeit könnte ein Hinweis dafür sein, dass der Integration der Konzepte mehr Aufmerksamkeit zu schenken ist, als dies in der Vergangenheit der Fall war. Bei einem solch integrierten Ansatz der Beratung sind die Anforderungen, die sich aus Auftrag und Rahmenbedingungen ergeben, einzubeziehen.
2 Merkmale von Organisationsberatung
Mit Beratung wird das Anliegen verfolgt, die Handlungsgrundlagen des Ratsuchenden zu verbessern. So sollen z. B. durch zusätzliche Informationen oder durch Perspektivwechsel Entscheidungen erleichtert oder Planungsgrundlagen geschaffen werden. Beratung ist somit ein zielgerichteter Prozess– auch wenn das Ziel zunächst unklar ist. Beratung wird häufig als Problemlöseprozess beschrieben, bei dem der Berater den Ratsuchenden im Sinne von Hilfe zur Selbsthilfe unterstützt. Dabei liegt ein breites Verständnis des Problems zu Grunde: Ein Problem wird definiert durch einen Anfangszustand (gegeben etwa durch unvollständige Information oder unbefriedigende Zustandslage), einen Zielzustand (z.B. erhoffte Information, erhoffter Zustand) sowie eine Menge von Operatoren, um vom Ausgangs- in den Zielzustand zu gelangen (Zimbardo& Gerrig, 2004). Bei Beratung können die Definitionen des Anfangszustandes und des Zielzustandes vage, diffus oder widersprüchlich sein. In diesen Fällen könnte das Ziel von Beratung sein, eine differenzierte Vorstellung von Ausgangs- und/oder Zielzustand zu erarbeiten. |