2 Motivationsmodelle (S. 19-20)
Die Motivierung von Mitarbeitern ist eine der wichtigsten Führungsaufgaben. Führungskräfte müssen dabei die in Tabelle 1 dargestellten Motivationskategorien im Blick haben, da alle vier wichtig sind. Um die Mitarbeitermotivation als Ganzes betrachten zu können, sollen die vier Quadranten in diesem Kapitel der Reihe nach behandelt werden. Dazu wird jeweils ein theoretisches Modell vorgestellt, welches auf eine Form der Motivation besonders zugeschnitten ist. Am Ende dieses Kapitels werden die Modelle vor dem Hintergrund einer Persönlichkeitstheorie untersucht. Es ist aus unserer Sicht für die Maßnahmeempfehlungen, die im dritten und vierten Kapitel dargelegt werden, wichtig zu beachten, dass nicht jedes der Modelle für alle Menschen die gleiche Wirkung erzielen kann. Die Differenzielle Psychologie, die sich mit den Unterschieden zwischen Menschen befasst, zeigt, dass verschiedene Persönlichkeitstypen durch unterschiedliche Formen der Motivation besonders ansprechbar sind.
2.1 Vrooms Erwartungstheorie
In diesem Abschnitt wenden wir uns zunächst der Motivationsform des 1. Quadranten zu, die sich durch eine Motivationstheorie von Vroom (1964, 1995) besonders gut verstehen und beeinflussen lässt.
Wie also können Mitarbeiter dazu motiviert werden, sich bezüglich ihrer Aufgabenerfüllung mit anderen zu messen, um sich aus dieser Wettbewerbsorientierung heraus besonders sorgfältig, ausdauernd und ergebnisorientiert zu verhalten? Tabelle 3 legt eine Antwort auf die Frage nahe: Eine Erhöhung der extrinsischen Aufgabenmotivation muss an den Problemen ansetzen, die bei der Bearbeitung von konkreten Aufgaben auftreten (aufgabenorientierter Aspekt) und sie muss den Mitarbeitern verständlich machen, was sie von einer erfolgreichen Aufgabenlösung haben (extrinsischer Aspekt). Die Erwartungs- Theorie von Vroom (1964; 1995) ist für die Modellierung und für die Verstärkung dieser Form der Motivation in besonderem Maße geeignet. Sie beinhaltet drei Konzepte (1) Valenz (= V), (2) Instrumentalität (= I) und (3) Erwartung (= E) (Daher auch der Name Erwartungstheorie).
Dabei bildet die Valenz die Anreiz-Komponente. Interpretiert wurde dieses Konzept sehr vielfältig, z.B. als Wichtigkeit, Attraktivität, Erwünschtheit oder antizipierte Befriedigung von Arbeitsfolgen. Diese Vielfalt an Definitionen der Valenz-Komponente ist unscharf und hat sich empirisch nicht bewährt (s. van Eerde& Thierry, 1996). Die entscheidenden Merkmale der Valenz im Kontext der Erwartungstheorie sind aus unserer Sicht ihre an ein konkretes Ergebnis gebundene Messbarkeit und ihr extrinsischer Charakter. Letzterer beruht darauf, dass es nicht darauf ankommt, ob die Tätigkeit selbst Freude macht, sondern dass das angestrebte Ergebnis positiv valenziert ist (z. B. weil es das von anderen erreichte Ergebnisübertrifft). Klassisches Beispiel ist die Gehaltserhöhung. Diese eingegrenzte Definition unterstreicht den ergebnisorientierten Charakter der Valenz in Vrooms Theorie (1964; 1995).
Mit anderen Worten: Noch ehe eine Arbeitshandlung begonnen wird, interessiert sich die Person mit dieser Art der Motivation für den„Wert“ der erwarteten Handlungsfolge (= Valenz). Praktisch bedeutet dies, dass eine extrinsische Aufgabenmotivation nur dann entstehen kann, wenn dieser Wert auch exakt quantifizierbar ist, sei es in Form von monetären Größen oder in Form eines sozialen Vergleichs. Demotivierend wirken umgekehrt besonders für diese Form der Motivation vage, unscharf definierte Karrierepfade, die keinen klaren Wert eines konkreten Arbeitsergebnisses erkennen lassen. Klare Definitionen sind aber nicht nur für den Aspekt der Valenz wichtig. Auch die Wahrscheinlichkeit, dass eine bestimmte Arbeitshandlung tatsächlich zur Erlangung einer Valenz führt, muss möglichst klar definiert sein. Hier kommen die beiden anderen Komponenten der Erwartungstheorie,„Instrumentalität“ und„Erwartung“, ins Spiel, die für die alltägliche Motivation eine wohl noch bedeutendere Rolle spielen als der langfristigere Aspekt der Valenz.
Die Macht der Erwartungen
Erwartungen sind nicht nur für ein Individuum selbst ein wichtiger Motivations- Wahrnehmungsfilter. Auch die Erwartungen anderer scheinen die Motivation des Einzelnen stark zu beeinflussen, wie Livingston (zusammenfassend, 2003) mit seinen klassischen Untersuchungen zu„Pygmalions Gesetz“ gezeigt hat. Er konnte nachweisen, dass Schüler und Mitarbeiter dann motivierter sind, wenn ihre Lehrer oder Vorgesetzte positive Erwartungen in sie setzen, und dass sie durch negative Erwartungen auch dann demotiviert werden können, wenn diese gar nicht explizit ausgesprochen werden. Für die motivierende Wirkung positiver Erwartungen gelten dabei freilich auch die Gesetzte der Vroomschen Theorie: Sie müssen für die Betroffenen eine hohe Valenz (= Wert) haben und realistisch sein. |