: Ingwer Borg
: Führungsinstrument Mitarbeiterbefragung
: Hogrefe Verlag Göttingen
: 9783840917165
: 3
: CHF 31,80
:
: Betriebswirtschaft
: German
: 458
: Wasserzeichen/DRM
: PC/MAC/eReader/Tablet
: PDF

In diesem Buch werden Mitarbeiterbefragungen als Schritt eines integrierten Gesamtprozesses im Rahmen der Organisationsentwicklung dargestellt. Dieser Prozeß wird als strategisches Ausftau- und Einbindungsmanagement-Program (AEMP) bezeichnet, weil durch die Befragung zunächst Bewegung durch Nachdenken und Diskussionüber die angesprochenen Themen entsteht und dann durch Rückmeldung und die Planung / Umsetzung von Aktionen Commitment gegenüber gemeinsamen Zielen und Transparenz bezüglich der eigenen Beitragsmöglichkeiten erzeugt wird. Zieldefinition, Planung und Durchführung der Umfrage, Datenanalyse, Feedback und Diskussion der Befunde, Problem- und Handlungsbedarfanalyse, Aktionsplanung sowie Umsetzung und Evaluation der Aktionen im AEMP werden systematisch dargestellt.  

6 Items und Fragebogen: Entwicklungsprozesse (S. 161-162)

Im vorausgegangen Kapitel haben wir technische und handwerkliche Aspekte der Item- und Fragebogenkonstruktion betrachtet. Sie sind Teil des Know-hows, das i.d.R. von einem Experten eingebracht wird. Viele Organisationen gehen sogar davon aus, dass der Experte einen„Standardfragebogen" vom Regal nehmen, ihn evtl. an die Besonderheiten der Firma anpassen oder sogar einen für die Firma spezifischen Fragebogen so weit fertig ausarbeiten kann, dass dieser so, wie er ist, an die Mitarbeiter verteilt werden kann. Obwohl gelegentlich tatsächlich so in der Praxis verfahren wird, ist dieses Vorgehen nicht empfehlenswert. Der Experte kann allein keinen optimalen Fragebogen entwickeln. Hierzu sind vielmehr die Beiträge wichtiger Gruppen der Organisation notwendig.

6.1 Fragebogen: Erstversion

Bisweilen wird vorgeschlagen, den Fragebogens von einer Ad-hoc-Arbeitsgruppe erstellen zu lassen, die ausgehend von einer Tabula rasa z.B. per Brainstorming herausarbeitet, welche Themen in der MAB adressiert werden sollen. Die Erfahrung zeigt aber, dass dieser Ansatz sehr aufwendig ist. Wesentlichökonomischer und vom Ergebnis her mindestens gleichwertig ist es, wenn der MAB-Experte zunächst einen Erstentwurf des Fragebogens als Vorlage für die weitere Diskussion ausarbeitet. Bei der Ausarbeitung des Erstentwurfs muss der Experte einerseits die MABPositionierung (Kapitel 2) und andererseits die zahlreichen technischen Gesichtspunkte von Item- und Fragebogenkonstruktion (Kapitel 5) berücksichtigen.

Dabei ist eine diskursive Vielfalt von Meinungen und Diskussionsbeiträgen zunächst nicht sachdienlich. Die Aufgabe erfordert vielmehr ein Literaturstudium, die Durchsicht von Materialien und Dokumenten aus der Organisation, die Abfrage von Item- Datenbanken (z.B. Cook et al., 1981) und eine sorgfältige semantische Bearbeitung der einzelnen Items– alles Tätigkeiten, die eher der Erstellung einer akademischen Thesis entsprechen, und die sich nicht in der Gruppe lösen lassen.

Wenn der Experte das Unternehmen nur wenig kennt oder gar mit der Brancheüberhaupt nicht vertraut ist, wird sein Erstentwurf des Fragebogens in Ausdrucksweise, Ton und thematischen Nuancierungen noch nicht gut zur Organisation passen. So sind Erstentwürfe von Fragebögen z.B. häufig allzu akademisch in ihrer Sprache und für viele Mitarbeiter schwer verständlich. ZurÜberbrückung der Kluft zwischen abstrakten Standarditems und Items, die zur jeweiligen Organisation passen, muss sich der Experte also ein Bild von der Kultur des Unternehmens, aber auch von seiner Mission-Vision-Strategie, seinen Produkten und Kunden usw. machen.

Neben denüblichen diagnostischen Zugängen hierzu (Harrison& Shirom, 1999) ist es besonders nützlich, sich mit Schlüsselpersonen der Organisation zu beschäftigen. Schieman (1991) und Verheyen (1988) empfehlen, hierzu Interviews mit dem Top-Management zu führen. Ihre Empfehlung erweist sich allerdings bei genauerer Betrachtung als eine Art MAB-Positionierung, bei der der Experte„erklärt" um was es geht und bei der Themen, die das Management interessiert, in die MAB aufgenommen werden können. Eine systematische Positionierung wie in Kapitel 2 beschrieben ist hierfür der bessere Weg. Sie führt nämlich nicht nur zu einer expliziten MAB-Positionierung, sondern gewährt dem Experten durch die verschiedenen Interaktionen und Sitzungen auch zahlreiche Einblicke in die Unternehmenskultur. Interviews mit Mitarbeitern der Basis oder des mittleren Managements zum Thema MAB („Was halten Sie davon?

Haben Sie irgendwelche Bedenken? Was sollte man Ihrer Ansicht nach fragen? Gibt es besondere Themen?") können ggf. zusätzlich nützlich sein, um weitere Eindrücke von den Besonderheiten der Unternehmenskultur zu gewinnen. Ganz unmittelbar für den Fragebogen bringen solche Interviews allerdings i.d.R. wenig. Für den Experten sind die Themen und selbst die Items durch viele theoretische und strategische Vorüberlegungen hinreichend klar: Die Interviews bringen hier allenfalls gewisse Anregungen. Zum anderen ist ein Interview als künstliche Situation gerade für die Diagnose der Unternehmenskultur weniger aufschlussreich als simple Beobachtungen des Verhaltens der Mitarbeiter der Organisation„aus der Distanz" (z.B. in der Cafeteria, in Meetings, am Empfang, am Arbeitsplatz) oder das Studium von Betriebszeitungen, schwarzen Brettern, offiziellen Publikationen oder anderer Artefakte (Neuberger& Kompa, 1987). MAB-Experten, die schon in vielen verschiedenen Unternehmen und Branchen MABs durchgeführt haben, haben zudem umfangreiche Sammlungen von Fragebögen, die in Produktionsbetrieben, in Vertriebsfirmen, in High-Tech-Unternehmen, in Banken und Versicherungen o.ä. verwendet wurden. Sie sind oft eine nützliche weitere Informationsbasis für die Erstversion des Fragebogens, weil sich aus ihnen typische Themen dieser Unternehmen ableiten lassen und weil evtl. sogar statistische Vergleichsnormen für einige Items vorliegen.

Inhaltsverzeichnis7
Vorwort zur 3. Auflage17
Vorwort zur 2. Auflage19
1 Merkmale und Typen von Mitarbeiterbefragungen23
1.1 Die fünf Haupttypen der heutigen MAB-Praxis23
1.2 Messen versus Intervenieren30
1.3 Zur Evolution der MAB-Typen33
1.4 Potentiale und Risiken einer MAB33
1.5 MABs und Veränderungsmanagement34
1.6 MABs und naive Modelle des Mitarbeiters35
2 Design und Positionierung45
2.1 Aspekte der MAB-Positionierung45
2.2 Kontext der Positionierung47
2.3 Erste Positionierung durch die Geschäftsleitung60
2.4 Hidden Agendas67
2.5 Weitere Präzisierungen der Positionierung68
2.6 Anonymität und Datenschutz72
2.7 Vollbefragung versus Stichprobenbefragung77
3 Planung und Vorbereitung81
3.1 Architektur81
3.2 Projektplan87
4 Items und Fragebogen: Inhalte97
4.1 MAB-Items und ihre Facetten97
4.2 Standardthemen einer MAB: Die Sicht des Einzelnen99
4.3 Inhaltliche Erweiterungen I: Leistungs- und Strategiethemen102
4.4 Inhaltliche Erweiterungen II: Weitere psychologische Themen104
4.5 Ungeeignete Themen106
4.6 Demographische Items107
4.7 Ansätze für das Zusammenstellen einer Itembatterie110
4.8 Das Beurteilungskriterium Wichtigkeit117
4.9 Typische Zusammenstellungen von Items120
5 Items und Fragebogen: Methodische Aspekte123
5.1 Items mit Ratingskalen123
5.2 Items: Antwortkriterien129
5.3 Zur Psychologie des Antwortens auf MAB-Items131
5.4 Items mit qualitativen Antwortkategorien133
5.5 Kommentare136
5.6 Offene Fragen137
5.7 Formulierung von MAB-Items140
5.8 Skalen und Einzelitems143
5.9 Items in verschiedenen Sprachen144
5.10 Erhebung der demographischen Items146
5.11 Aufbau des Fragebogens147
5.12 Fragebogenlayout150
5.13 Prognosefragebögen157
5.14 Elektronische Fragebögen158
6 Items und Fragebogen: Entwicklungsprozesse161
6.1 Fragebogen: Erstversion161
6.2 Rolle des Koordinationsteams bei der Fragebogenkonstruktion162
6.3 Einbindung anderer Gruppen in die Fragebogenkonstruktion167
6.4 Pretesting von Fragebögen168
7 Auswahlverfahren175
7.1 Die Population175
7.2 Nicht-Zufallsstichproben176
7.3 Zufallsstichproben179
7.4 Stichprobenfehler183
7.5 Stichprobengröße186
7.6 Ausschöpfung189
7.7 Stichprobenkonstruktion in der Praxis191
8 Information I193
8.1 Ziele und Vorgänge von „Information I“193
8.2 Planungsaspekte von „Information I“198
8.3 Fragen und Antworten201
8.4 Allgemeine Empfehlungen204
9 Datenerhebung207
9.1 Administration und Logistik der Datenerhebung207
9.2 Datenerhebung in Gruppensitzungen208
9.3 Die postalische Datenerhebung214
9.4 Elektronische Datenerhebung218
9.5 Andere Formen der Datenerhebung222
9.6 Summarischer Vergleich der Datenerhebungsmethoden224
9.7 Einige Maßnahmen zur Steigerung der Beteiligungsquote224
9.8 Datenerfassung231
9.9 Datenbereinigung232
10 Standard-Datenanalyse235
10.1 Elementare Auswertungen der MAB-Daten235
10.2 Standardberichte243
10.3 Fokusberichte245
10.4 Quervergleiche249
10.5 Prognoseberichte251
10.6 Traditionelle Globalberichte252
10.7 Auswertung von freien Kommentare und offenen Fragen253
10.8 Erstmitteilung für die Mitarbeiter254
10.9 Zur Organisation der Berichtserstellung255
11 Design der Folgeprozess