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Auf dem samtig grünen Gras, in dem noch der Tau glitzerte, beobachtete Jason, wie Dmitri das Gesicht der Jägerin umfing, die er gerade zur Frau genommen hatte. Das Licht der aufgehenden Sonne küsste ihre Haut und ließ ihre Augen erstrahlen, die nichts sahen als den Mann, der vor ihr stand.
Das Grundstück, auf dem das Haus des Erzengels Raphael stand, hatte Jahrhunderte vorüberziehen sehen, dachte Jason; jenseits der Klippen rauschte der Hudson vorüber, und Unmengen duftender Rosen kletterten in voller Blüte an den Wänden des Hauses empor. Aber eine Szene wie diese hatte das Anwesen noch nie erlebt und würde es vielleicht auch nicht noch einmal tun: Einer der mächtigsten Vampire der Welt nahm eine Gildenjägerin zur Frau.
Dass Honor Dmitri liebte, stand außer Zweifel. Man musste kein Meisterspion sein, um die hell leuchtende Freude zu sehen, die ihre Haut bei jedem Atemzug erstrahlen ließ. Was Jason verblüffte, waren die starken Emotionen in den Augen des Vampirs, der in all den Jahrhunderten, die Jason ihn kannte, ein erbarmungsloser Krieger gewesen war.
Brutale Strafen gingen Dmitri leicht von der Hand, in letzter Zeit vielleicht zu leicht. Der Vampir war annähernd tausend Jahre alt und von der Zeit abgestumpft. Blut und Tod konnten ihn nicht schrecken, ließen ihn nicht einmal innehalten. Auf dem Schlachtfeld hatte Jason gesehen, wie Dmitri seinen Angreifern mit dem Krummsäbel den Kopf abgeschlagen und das Spritzen des Blutes in ihrem Todeskampf genossen hatte. Und er hatte gesehen, wie Dmitri mit sinnlicher Eleganz und ungerührtem Herzen nur zu seinem Vergnügen Frauen verführt hatte.
Aber in dem Mann, der in diesem Moment Honors Gesicht umfasste und ihre Lippen mit einem besitzergreifenden Kuss eroberte, wohnte eine Zärtlichkeit, die ebenso bedrohlich wie sanft war. Jason erkannte, dass Dmitri ein brutaler Gegner für jeden werden würde, der es wagen sollte, seiner Frau etwas zuleide zu tun. Die Dunkelheit in ihm war nicht bezähmt, nur an die Leine gelegt.
»Angeleint kann er es mit dem Kader nicht aufnehmen«, sagte er zu der Frau, die neben ihm stand, einer Jägerin mit Flügeln in den Farben von Mitternacht und Morgengrauen. Das Tiefschwarz ihrer Federn an den inneren Flügelwölbungen wich einem tiefen, seidigen Blau, um dann in ein weicheres Indigo überzugehen; die Handschwingen schließlich leuchteten in strahlendem Weißgold.
Elena war Raphaels Gemahlin, und Raphael war Jasons Lehnsherr. Vielleicht fühlte er sich in ihrer Gegenwart deshalb so unerwartet entspannt. Oder lag es daran, dass sie, ebenso wie er vor langer Zeit, eine Fremde im Reich der Unsterblichen war und noch nach einem Weg suchte, der sie durch die vor ihr liegenden Jahrhunderte führen würde? Vielleicht l