: Benjamin Städter
: Verwandelte Blicke Eine Visual History von Kirche und Religion in der Bundesrepublik 1945-1980
: Campus Verlag
: 9783593412429
: Campus Historische Studien
: 1
: CHF 34.40
:
: Zeitgeschichte (1945 bis 1989)
: German
: 432
: Wasserzeichen/DRM
: PC/MAC/eReader/Tablet
: PDF
Seit Jahrhunderten prägen Bilder gesellschaftliche Vorstellungen von Religion - auch in den vergangenen 50 Jahren. Anhand einer enormen Bandbreite an Fotos und Filmen belegt Benjamin Städter, dass massenmediale Bilder den sich wandelnden Blick auf Kirche und Religion nicht nur spiegelten: Sie prägten ihn entscheidend mit. Indem etwa Religiosität zunehmend als individuell erfahrbare Gottessuche in Szene gesetzt wurde, war sie nicht mehr exklusiv an den kirchlichen Ritus gebunden. Über diesen Zugang einer »visual history« eröffnet der Band neue Perspektiven auf das Verhältnis der bundesdeutschen Gesellschaft zu Kirche und Religion.

Benjamin Städter, Dr. phil., Studienrat am St. Ursula Gymnasium in Dorsten, promovierte am Historischen Institut der Universität Gießen.
1. Einleitung 1.1 Bilder und Zeitgeschichte Die konsequente Hinwendung der Geschichtswissenschaft zu Bildern, die unter dem Begriff der Visual History zusammengeführt wird , lässt sich in einem doppelten Sinne verstehen. Zum einen geht es um den Wandel der Themen und Quellenkorpora historischer Forschung. Darüber hinaus beinhaltet die Idee einer Visual History aber auch einen Wandel in den Arbeits- und Präsentationsformen, derer sich Historiker bedienen, um ihre Fragestellungen, Thesen und Erkenntnisse der Öffentlichkeit vorzustellen. Historiker entdecken Bilder somit vermehrt auch als Medium, um an ihnen die kulturhistorische Forschung zu exemplifizieren und geschichtswissenschaftliche Erkenntnisse einem breiteren als dem universitärakademischen Publikum zu präsentieren. Gerade im Bereich der Zeitgeschichte kamen in den letzten Jahren zahlreiche sich an eine breite Leserschaft richtende Publikationen auf den Markt, die Bildanalysen als Vehikel nutzen, um an ihnen Vergangenheit zu analysieren. Neu an diesen visuellen Geschichtsschreibungen ist im Gegensatz zu den klassischen Katalogen zeithistorischer Ausstellungen die Emanzipation des Bildes von seinem vormaligen Status als reines Illustrationsobjekt. Fotografien, Plakate und Flugblätter illustrieren in einzelnen Beiträgen keine Geschichte, an ihnen entspannt sich vielmehr eine Kulturgeschichtsschreibung, die über die kunstgeschichtlich geprägte bildimmanente Analyse hinausgeht und die Bilder auf der Grundlage ihrer Verwendungszusammenhänge und historischen Bedingtheiten analysiert. Dabei greifen die Autoren zumeist auf ein kleines Spektrum von Bildern zurück, das einer breiten Öffentlichkeit ikonenhaft für ganz konkrete historischer Formationen bekannt ist. Angestoßen wurde dieser Umgang mit Bildern als Kommunikationsvehikel wissenschaftlicher Erkenntnisse in den öffentlichen Raum nicht zuletzt durch die Einsicht, dass gerade visuelle Quellen der Vergangenheit in der Öffentlichkeit eine durchschlagende Wirkmacht entfalten können. Als Paradebeispiel kann hierfür die so genannte Wehrmachtsaustellung gelten, die in zwei Versionen zwischen 1995 und 2004 als Wanderausstellung in der Bundesrepublik eine emotionsgeladene Debatte über die Rolle der Wehrmacht bei den Kriegsverbrechen und Genoziden des Zweiten Weltkriegs auslösen konnte. Die Wehrmachtsausstellung verdeutlichte zum einen die Notwendigkeit einer vermehrten und methodisch geschärften Auseinandersetzung der Geschichtswissenschaft mit Bildern. Zum anderen konnte sie zeigen, wie kontrovers visuelle Quellen in einer breiten öffentlichen Debatte diskutiert wurden. Historikern wurde es von der massenmedialen Öffentlichkeit abverlangt, zu einer den universitären Bereich überschreitenden Kontroverse Stellung zu nehmen. Die Diskussion um die Wehrmachtsausstellung fiel parallel zu den ersten programmatischen Entwürfen einer Visual History die, wie bereits erwähnt, sich nicht nur der Präsentation historischer Forschung durch Visualia widmet, sondern zuallererst einen spezifisch geschichtswissenschaftlichen (und dabei zumeist zeithistorischen) Umgang mit der Quellengruppe Bilder zu umreißen sucht. Der Umgang mit visuellen Quellen lässt sich traditionell dem Terrain der Kunstgeschichte zuordnen. Deren klassischer Zugang unterscheidet sich von den Fragestellungen der Kulturwissenschaften wie auch der zeithistorischen Forschung am augenscheinlichsten in der Gewichtung bildimmanenter Analysen. Die mit den Namen Gottfried Boehm , Horst Bredekamp und Hans Belting verbundene Erweiterung kunsthistorischer Forschung hin zu einer kulturwissenschaftlich geprägten Bildwissenschaft konnte in den vergangenen zehn Jahren entscheidenden Einfluss auch auf die zeithistorische Analyse visueller Quellen nehmen. Wesentlicher Fixpunkt der Bildwissenschaften ist ihre Anlehnung an die angloamerikanischen Visual Studies als Subdisziplin der Cultural Studies. Ausgehend von den Arbeiten des US-amerikanischen Anglisten und Kulturwissenschaftlers William J. T. Mitchell gehen sowohl die Visual Studies als auch die Bildwissenschaften von der Prämisse aus, dass kulturelle Entwicklungen zunehmend von Viusalia konstituiert, beeinflusst und geordnet werden und somit auch an ihnen ablesbar sind. Nach Mitchell, der mit seinen Arbeiten zur Bildtheorie die theoretischen Überlegungen eines pictorial turn oder später iconic turn anstieß, dominieren in modernen Kulturen kommunika