Wunder Eine historische Einführung
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Gabriela Signori
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Wunder Eine historische Einführung
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Campus Verlag
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9783593403892
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Historische Einführungen
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1
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CHF 18.00
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Allgemeines, Lexika
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German
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200
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Wasserzeichen/DRM
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PC/MAC/eReader/Tablet
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PDF
Die Geschichte des Wunders reicht vom antiken Griechenland bis in die heutige Zeit. Da sie den Stoff für zahllose Erzählungen bilden, sind Wunder ein wichtiges Thema für alle, die sich für die Geschichte abendländischer Frömmigkeitspraktiken und religiöser Vorstellungen interessieren. Das Wunder ist keine Marginalie, kein Kuriosum, es steht vielmehr im Mittelpunkt des Religiösen, auch im Vergleich der Konfessionen und Religionen. Gabriela Signori erklärt in dieser Einführung, welche Ereignisse als Wunder galten und gelten, wann die ersten Wunder wahrgenommen wurden und man darüber berichtet, wie sie zertifiziert wurden und welche Rolle sie bei der Heiligsprechung spielten. Sie zeigt, wie die Reformation die Wahrnehmung und Darstellung von Wundern verändert hat und wie und warum Wunder bis heute in der christlichen Welt präsent sind.
Gabriela Signori ist Professorin für Geschichte des Mittelalters an der Universität Konstanz.
Das Christentum unterscheidet zwei Wunderarten: Die einen vollbringt der Heilige zu Lebzeiten, »in vita«, die anderen bewirkt er »post mortem«, also nach seinem Tod (Sigal 1983). Beide Wunderarten sind über die Jahrhunderte hinweg als »signum sanctitatis« konstitutiv für das christliche Heiligkeitsverständnis. Trotzdem sind und waren sie nicht zu allen Zeiten und in allen Gesellschaftskreisen gleich gern gelitten (Moore 1997). Den »invita «-Wundern gegenüber war insofern Zurückhaltung geboten, als die Gefahr groß schien, dass sie sich zum ethisch-moralischen Problem verkehrten. Denn sie setzen voraus, dass der Heilige selbst, wie dereinst Christus, erkennt, dass er heilig ist, und dieses Wissen könnte, glaubte man, »praesumptio« (Anmaßung) oder »superbia« (Hochmut) auslösen. Das sind keine Charaktereigenschaften, sondern im christlichen Verständnis Sünden, ja bis ins 13. Jahrhundert hinein sogar die beiden Hauptsünden (Todsünden), denen lange vor Adam und Eva die Engel des Lichts zum Opfer gefallen waren (Little 1971). Der Bezug zwischen »vita« und »miracula«, Heiligenleben und Wunderkraft, verändert sich nicht nur auf der Zeitachse, sondern auch je nach der Trägerschaft des Kultes (Reformkreise, Pfarrklerus etc.), ja zuweilen selbst je nach Gebrauchskontext der hagiographischen Schriften. Die »Athleten Christi« zum Beispiel, die sich in der Nachfolge des Antonius Magnus in die Wüste Ägyptens, Palästinas und Syriens zurückzogen, wollten zumeist keine Wunder bewirken, obwohl sie es gekonnt hätten. Wunder nämlich, fürchteten sie, zögen Menschenscharen an, notleidende gleichermaßen wie neugierige Menschen, welche die Meditation, das Zwiegespräch der Asketen mit Gott störten. Vor ihnen floh manch ein Gottsuchender noch tiefer in die Wüste (Demm 1975; Ward 1999), aber nicht jeder, wie unter anderem der Reisebericht des Rufinus von Aquileja (? 410) zeigt (Frank 1998). Die Wüstenväter - so nennt die Forschung die nach Vollkommenheit strebenden bärtigen Greise der spätantiken Welt - waren lebendige Heilige, Heilige zum Anfassen, Heilige zum Ansehen (Frank 2000). Das gilt auch für den heiligen Martin (? 397), so wie ihn sein Freund und langjähriger Gefährte Sulpitius Severus (? 420) darstellte. Häufig wird Heiligkeit jedoch erst später, Jahrzehnte, wenn nicht gar Jahrhunderte nach dem Ableben des Heiligen erkannt. In diesen Fällen kann das Wunder die Tugendhaftigkeit nicht gefährden (was aber nicht besagt, alle Heiligen seien wirklich tugendhaft gewesen). Das Wunder erscheint »post mortem« sozusagen als ?Stimme? der Toten. Es hilft, die Zeit zu überbrücken, verleiht dem längst verstorbenen Heiligen Aktualität, macht ihn gegenwärtig.
Inhalt
6
Vorwort »Star of wonder«
8
Einleitung
10
1. Die christlichen Grundlagen
16
1.1. Augustinus von Hippo († 430)
17
1.2. Gregor von Tours (ca. 539–594)
24
1.3. Gregor der Große († 604)
26
1.4. Kirchliche Wunderkritik
29
1.5. »Populäre« Wundervorbehalte
34
2. Wunderberichte: Hören und Sehen, Schreiben und Lesen
41
2.1. Erzählen
44
2.2. Augenzeugen
47
2.3. Dingzeugnisse
51
2.4. Berufsschreiber und Schönschreiber
53
2.5. Die Ordnung der Wunder
62
2.6. Abschreiben, Vervielfältigen, Drucken
63
2.7. Mirakelbilder – Votivbilder
67
3. Die soziale Welt des Wunders
75
3.1. Frauen und Männer
76
3.2. Kinder
82
3.3. Klerus, Adel oder Städter?
87
3.4. Personenübergaben
90
4. Wunderheilungen
95
4.1. Der Heilschlaf
96
4.2. Biblische Heilungswunder
98
4.3. Das Gewicht der Tradition
99
4.4. Häufigkeiten
103
4.5. Moderne Ätiologien
104
4.6. Krankheiten ohne Namen
107
4.7. Geburtswunder
112
4.8. Verrückt oder besessen?
115
4.9. Magie
123
4.10. Wunderglaube oder Ärztekunst?
126
4.11. Der Beitrag der Seelenheilkunde
132
5. Gewalt und Wunder
138
5.1. Weltliche Übergriffe auf Klosterbesitz
139
5.2. Gefangenenbefreiungen
142
5.3. Der Hundertjährige Krieg
144
5.4. Die Hussiten- und die Türkenkriege
147
5.5. Das Galgenwunder
149
5.6. Wunder, Ritualmord- und Hostienfrevellegenden
152
Fazit
161
Quellen
164
Auswahlbibliographie
168
Abbildungsnachweise
194
Personen- und Ortsregister
195