: Rüdiger Hossiep, Michael Paschen, Oliver Mühlhaus
: Persönlichkeitstests im Personalmanagement. Grundlagen, Instrumente und Anwendungen
: Hogrefe Verlag Göttingen
: 9783840910395
: 1
: CHF 37.20
:
: Betriebswirtschaft
: German
: 384
: Wasserzeichen/DRM
: PC/MAC/eReader/Tablet
: PDF
Neben fachlicher Kompetenz spielt die Persönlichkeit eine zunehmend wichtigere Rolle für beruflichen Erfolg und damit auch für den Unternehmenserfolg. Psychologische Persönlichkeitstests bieten eine effiziente Unterstützung bei Platzierungsfragen und in der Personalentwicklung. Das Buch liefert eine Übersicht über Persönlichkeitstests, die in Unternehmen eingesetzt werden. Es nennt Vor- und Nachteile der Instrumente und bietet einen Überblick über wissenschaftliche Grundlagen. Zur Auswahl eines geeigneten Instrumentes sowie für eine seriöse und erfolgreiche Durchführung der Verfahren werden konkrete Hilfestellungen gegeben. Dabei wird auch auf das"Image" der Verfahren und die Akzeptanz bei den Teilnehmern eingegangen. Im Anhang finden sich praxisorientierte Antworten auf häufig gestellte Fragen zum Thema Persönlichkeitstests sowie eine Aufstellung der Persönlichkeitsdimensionen, die in den vorgestellten wissenschaftlichen Verfahren enthalten sind.       
3 Überlegungen zum Zusammenhang von Person, Situation und Verhalten (S. 44-45)

Nachdem der geschichtliche Hintergrund der Persönlichkeitsdiagnostik schlaglichtartig beleuchtet wurde, werden im folgenden die differentialpsychologischen Grundlagen vorgestellt und diskutiert. Hierbei wird besonderer Wert auf die Konsequenzen gelegt, die sich aus den Möglichkeiten und Begrenzungen des eigenschaftstheoretischen Ansatzes für die praktische diagnostische Arbeit in der Wirtschaft ergeben.

3.1 Das Eigenschaftskonzept

In der Persönlichkeitspsychologie existiert keine allgemein anerkannte Definition der Begriffe „Eigenschaft" beziehungsweise „trait". Allport führte diesbezüglich bereits 1937 fünfzig verschiedene Definitionen auf (Vernon, 1987). Angesichts dessen werden statt einer verbindlichen Begriffsbestimmung einzelne Elemente verschiedener Definitionen zusammengefaßt. So vermuten zum Beispiel Amelang und Bartussek (1997), daß die Mehrzahl der empirisch tätigen Persönlichkeitsforscher einer Arbeitsgrundlage zustimmen könnte, in der Eigenschaften als „relativ breite und zeitlich stabile Dispositionen zu bestimmten Verhaltensweisen" verstanden werden, „die konsistent in verschiedenen Situationen auftreten" (S. 49).
Eine Eigenschaft wird gewöhnlich nicht aus einer singulären Verhaltensweise abgeleitet. Nur wenn bestimmte Handlungen systematisch gemeinsam auftreten, erscheint eine Beschreibung dieser Verhaltenstendenzen durch einen Eigenschaftsbegriff sinnvoll. So kann etwa das sofortige Aufräumen des Schreibtisches nach getaner Arbeit, die Pflege effektiver Ablagesysteme sowie das pünktliche Einhalten aller Termine auf eine „hoch ausgeprägte Gewissenhaftigkeit" hindeuten. Die Annahme, daß ein einziges hypothetisches Konstrukt wie „Gewissenhaftigkeit" die Kovariation mehrerer Handlungen beschreiben kann, ist im Sinne einer ökonomischen wissenschaftlichen Modellbildung (vgl. Robinson, 1986, S. 158). Allerdings geht mit jeder Zusammenfassung und Abstraktion im Allgemeinen auch ein Informationsverlust einher. Es kann daher sinnvoll sein, das Eigenschaftskonzept eher als probabilistisches denn als kausales Modell zu verstehen (Schmitt& Borkenau, 1992). Eine höhere Ausprägung der Eigenschaft „Freundlichkeit" mag demgemäß mit einer höheren Wahrscheinlichkeit einhergehen, Bekannte freundlich zu grüßen, als dies bei einer geringen Ausprägung der Eigenschaft gegeben wäre. Das freundliche Grüßen an sich ist jedoch weder eine notwendige noch eine hinreichende Bedingung für das Vorliegen einer hohen Ausprägung von „Freundlichkeit".
Die Analyse der Kovariation von Verhaltensweisen erfolgt in der Persönlichkeitspsychologie meist auf der Grundlage von Selbstbeschreibungen, die systematisch mit Hilfe von Persönlichkeitstests erhoben werden. Darüber hinaus finden sich jedoch auch andere Forschungsstrategien, als Beispiele seien physiologisch ausgerichtete Ansätze (Fahrenberg, 1964) oder die Auswertung von Verhaltensbeobachtungen (z.B. Amelang& Bartussek, 1997, S. 182ff.) genannt. Die Dominanz der Fragebogenforschung findet ihre Ursache vermutlich vor allem in der sehr ökonomischen Datenerhebung. Bei Vorliegen einer großen Anzahl von Beobachtungen oder Testfragen ist eine Analyse der Interkorrelationsmatrix ohne Hilfsmittel kaum möglich. Vielfach werden daher interkorrelierende Items anhand der Ergebnisse einer Faktorenanalyse zu neuen Konstrukten zusammengefaßt.
Vor allem drei Forscher haben mit dieser Vorgehensweise umfangreiche Theorien über die Struktur der Persönlichkeit formuliert: J. B. Guilford, R. B. Cattell und H. J. Eysenck. Kontrovers war und ist im Rahmen der faktorenanalytischen Persönlichkeitsforschung insbesondere der Status der gewonnenen Faktoren. Die polarisierend geführte Diskussion läßt sich anhand der folgenden Standpunkte veranschaulichen: „One is, that factor analysis is a mere data-crunching machinery, and the other that it should reflect some fundamental metaphysical truth that resides in the data" (Hofstee, 1994, S. 174). Vor allem Cattell und Eysenck haben den Faktoren einen hypothesenprüfenden und erklärenden Charakter zugeschrieben (vgl. z. B. Cattell, 1987; Eysenck, 1987). Diese Auffassung ist nicht unumstritten, denn die Methode erlaubt entsprechend ihrer statistischen Grundlagen streng genommen nur die deskriptive Interpretation der Ergebnisse (Wottawa, 1979). Faktorenanalytisch gewonnene Dimensionen sollten ohne theoretische Fundierung nicht zur Erklärung individueller Verhaltensunterschiede herangezogen werden.
Der klassische eigenschaftstheoretische Ansatz, welcher vor allem mit den Namen Guilford, Cattell und Eysenck verknüpft ist, wird in der seinerzeit vieldiskutierten Publikation Personality and Assessment von Mischel (1968) heftig angegriffen. Im Vordergrund der Kritik Mischels steht der Widerspruch, daß Eigenschaftstheorien die situationsübergreifende Konsistenz des Verhaltens voraussetzen, durch die Forschung aber kaum Belege hierfür gefunden werden konnten. Die alltagspsychologisch plausible Annahme von Eigenschaften und situationsübergreifender Konsistenz führt Mischel primär auf Wahrnehmungsphänomene zurück („Traits are in the eye of the beholder"; Kenrick& Funder, 1988). Als ein weiteres Argument gegen die traditionelle Eigenschaftsforschung benennt Mischel die geringen Validitäten von Persönlichkeitstests, die in der Höhe der Koeffizienten selten den Wert von .30 übersteigen. Ein derartiger Wert sei zwar ausreichend zur Beschreibung von Gruppen, jedoch zur Vorhersage individuellen Verhaltens nicht geeignet.
Vorwort8
Inhaltsverzeichnis10
Einleitende Überlegungen16
1 Persönlichkeitstests im Personalmanagement – Vorüberlegungen22
2 Zur Geschichte der Persönlichkeitsdiagnostik26
2.1 Frühe Wegbereiter28
2.2 Der Beginn empirisch-psychologischer Ansätze38
2.3 Die Entwicklung berufsbezogener Verfahren41
3 Überlegungen zum Zusammenhang von Person, Situation und Verhalten44
3.1 Das Eigenschaftskonzept44
3.1.1 Die situationsübergreifende Konsistenz von Verhalten46
3.1.1.1 Methodische Grundlagen und empirische Befunde46
3.1.1.2 Konsequenzen für die Berufseignungsdiagnostik50
3.1.2 Situationsspezifische Einfüsse51
3.1.2.1 Die Relevanz situationaler Einflüsse52
3.1.2.2 Konsequenzen für die Berufseignungsdiagnostik53
3.1.3 Stabilität und Veränderung von Persönlichkeitsmerkmalen56
3.1.3.1 Methodische und konzeptuelle Grundlagen56
3.1.3.2 Empirische Belege für zeitliche Stabilität und Veränderung von Persönlichkeitsmerkmalen58
3.1.3.3 Konsequenzen für die Berufseignungsdiagnostik60
3.2 Ein Modell zur Bedingtheit von Berufserfolg durch persönliche und situationale Variablen61
4 Persönlichkeitstests in der Berufseignungsdiagnostik64
4.1 Der Einsatz von Persönlichkeitstests im internationalen Vergleich65
4.2 Rechtliche Rahmenbedingungen67
4.3 Durchführung testgestützter Eignungsuntersuchungen70
4.3.1 Sinnvolle Auswahl psychologischer Testverfahren70
4.3.2 Zur Einbettung eines Tests in die Gesamtuntersuchung71
4.3.3 Gestaltung der diagnostischen Situation76
4.3.4 Akzeptanz von Persnlichkeitstests durch die Kandidaten77
4.3.4.1 Bedingungen f¸r eine positive Bewertung von Auswahlverfahren78
4.3.5 Motivationale Einfl¸sse und Fehlerfaktoren bei der Bearbeitung von Persnlichkeitstests80
4.3.5.1 Beantwortungen im Sinne sozialer Erw¸nschtheit81
4.3.5.2 Zustimmungstendenzen85
4.3.5.3 Bevorzugung extremer oder mittlerer Antwortkategorien86
4.3.5.4 Zusammenfassende Einsch‰tzung der Fehlerfaktoren86
4.3.6 Zur Gestaltung des R¸ckmeldegespr‰ches86
4.3.7 Schriftlegung der Ergebnisse: Die gutachterliche Stellungnahme88
4.3.8 Testtraining und „ Testknacker“91
4.4 Zur Vorhersagekraft von Persönlichkeitstests für beruflichen Erfolg99
4.4.1 Die Methode der Validitätsgeneralisierung nach Schmidt und Hunter99
4.4.1.1 Metaanalytische Befunde zur Validität von Persönlichkeitstests in der Berufseignungsdiagnostik102
4.4.1.2 Weitere Belege für die inkrementelle Validität von Persönlichkeitstests114
4.4.1.3 Konsequenzen für Wirtschaft und Wissenschaft117
4.5 Ethische Fragen bei eignungsdiagnostischen Untersuchungen120
5 Testverfahren im wirtschaftsbezogenen Kontext124
5.1 Der 16-Persönlichkeits-Faktoren-Test (16 PF)124
5.1.1 Theoretischer Hintergrund125
5.1.2 Kontroverses zum Hintergrund des Verfahrens126
5.1.3 Die Entwicklung der deutschsprachigen Version des Verfahrens127
5.1.4 Skalen und Interpretationshinweise129
5.1.5 Normen und Gütekriterien133
5.1.6 Testdurchführung und -auswertung133
5.1.7 Ausgewählte Befunde zur Leistungsfähigkeit133
5.1.7.1 Zur pädiktiven Validität für berufliche Bewährung134
5.1.7.2 Sonstige Arbeiten zum 16 PF136
5.1.8 Zusammenfassende Einschätzung136
5.2 Das NEO-Fünf-Faktoren-Inventar (NEO-FFI)137
5.2.1 Theoretischer Hintergrund138
5.2.2 Kontroverses zum Hintergrund des Verfahrens138
5.2.3 Die Entwicklung des Verfahrens139
5.2.4 Skalen und Interpretationshinweise140
5.2.5 Normen und Gütekriterien141
5.2.6 Testdurchführung und -auswertung142
5.2.7 Ausgewählte Befunde zur Leistungsfähigkeit142
5.2.8 Zusammenfassende Einschätzung144
5.3 Der Myers-Briggs Typenindikator (MBTI)145