: George Napuka
: Vermessen
: Herbert Utz Verlag
: 9783831613847
: 1
: CHF 4.40
:
: Krimis, Thriller, Spionage
: German
: 221
: DRM
: PC/MAC/eReader/Tablet
: PDF

Normalerweise ist Kempten ein recht beschauliches Städtchen. Nicht so an einem Augustmorgen des Jahres 2003. Pünktlich zum ersten Hahnenschrei erschüttert Maschinengewehrfeuer die sommerliche Stille. Am Schauplatz des blutigen Geschehens erwarten Kommissar Moratti nicht nur die Leichen von vier seiner Kollegen, sondern auch die einer bildschönen jungen Frau. Morattis einzige Spur ist ein goldener Ring mit ominöser Inschrift…

7 (S. 133-134)

Tina hatte kein Wort mehr gesagt während der Fahrt auf der Schweizer Autobahn von Zürich nach Bregenz. Stattdessen lag sie mit einer Decke umwickelt zusammengekrümmt an der Türe der Beifahrerseite. Ein Teppich von benutzten Papiertaschentüchern lag verstreut auf dem Boden neben ihren Schuhen, die sie ausgezogen hatte. Der leere kleine Wodka steckte in der Seitenablage. Eine leere Cola-Dose rollte zwischen den Füßen des Detektivs, je nach Fahrlage des Jaguars, hin und her, ohne dass sich Al die Mühe machte, sie zur Seite zu legen.

Das Radio war abgeschaltet, und zwischen Al und Tina herrschte eine Stimmung der unendlichen Trauer und Anteilnahme, der Angst vor der ungewissen Zukunft, der Wut auf die Verbrecherbande,– ohne dass darüber ein weiteres Wort gesprochen worden war. Dazu hatte sich aber die vertraute Atmosphäre zweier Gleichgesinnter eingestellt, die auf Gedeih und Verderb aufeinander angewiesen waren.›Dreamteam ohne Zukunft‹, dachte der Detektiv betrübt vor sich hin, als sie gerade die unbesetzten Anlagen der deutschen Grenze in mäßigem Tempo passierten. Al gab Gas, und die Tachonadel kletterte Stück um Stück herauf. Von nun an blieb er ohnehin nur noch auf der linken Spur.

›Die letzte Freiheit der Erfinder des Motors‹, dachte Al und wusste, eines schönen Tages würde es in Deutschland vorbei sein mit dem unbegrenzten Tempolimit. Die Tachonadel zitterte, und der ganze Wagen vibrierte heftig. Die Route war nun Lindau–Memmingen–Kempten, und die bestand einzig aus Autobahn, denn Al hatte nicht die geringste Lust, unter 200 km/h zu fahren, bis sie in Kempten angekommen waren. Es waren genau diese Gründe, weshalb er sich zu Beginn seiner Tätigkeit als Privatdetektiv für einen Jaguar entschieden hatte. Durch die heftige Vibration war Tina aus ihrem von Trauer und Verzweiflung durchsetzten Dämmerschlaf aufgewacht. Sie richtete sich auf, zog dabei ihre Beine auf den Sitz und breitete die Deckeüber sich aus.»Wo sind wir, Al?«»45 Minuten vor Memmingen, Tina.« Er sah zärtlich zu ihr hinüber, sie erwiderte seinen Blick.

Dann fügte er hinzu:»Es tut mir alles unendlich leid, Tina.«»Ja, Al.«»Aber das Schlimmste ist, ich muss dir noch ein paar Fragen stellen. Je mehr ich weiß, desto schneller kann ich ihn vielleicht fassen. Ist das o. k. für dich?« Tina nickte zögerlich, schaltete das Radio wieder an und drehte mit dem Regler auf einen bayerischen Sender.»O. k., Tina. Wir machen das jetzt so: Ich fahre dich zur Hauptinspektion nach Kempten. Ich lasse dich raus und fahre anschließend weiter zu meinem Büro. Dort richte ich alles her für dich und die Nacht. Ich habe dort ein Sofa. Du musst ja morgen sicher in die Schule.

Das Büro ist nicht so weit von deinem Zuhause weg, und von der PI ist es nur 400 Meter entfernt.« Der Detektiv hielt inne, als er sah, wie sie ihn anschaute. Sein Auftritt mit den Anweisungen hatte für ihn selbst nicht geradeüberzeugend geklungen. Er hatte das Gefühl, dass sie dachte wie er. Und Al dachte in seinem Herzen, dass es das Beste wäre, sie würden nun zusammenbleiben, bis der Killer vielleicht doch zur Strecke gebracht wäre. Schließlich fuhr Al unsicher fort:»Du musst ja in die Schule, dachte ich… Jedenfalls, Tina, ich warte auf dich dort und wir besprechen das Weitere. Ich arbeite mit den Informationen, die ich noch von dir bekomme, einen Plan aus, weihe dich ein, und dann fahre ich…«– Al musste wegen seiner belegten Stimme plötzlich heftig husten.»… Dann fahre ich eben nach Lindenberg, und wir treffen uns morgen, sobald es geht.«

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