: Otto Gusti Ndegong Madung
: Politik und Gewalt Giorgio Agamben und Jürgen Habermas im Vergleich
: Herbert Utz Verlag
: 9783831608225
: 1
: CHF 25.10
:
: Philosophie, Religion
: German
: 207
: DRM
: PC/MAC/eReader/Tablet
: PDF

Diese Studie beschäftigt sich mit der komplexen und spannungsreichen Beziehung von Politik und Gewalt aus der Sicht von zwei bedeutenden Vertretern der zeitgenössischen Politischen Philosophie: Giorgio Agamben und Jürgen Habermas. 

Agamben macht uns darauf aufmerksam, dass es eine gemeinsame Grundstruktur zwischen Diktatur, totalitärem System und Demokratie besteht. Denn alle diese politischen Systeme gründen sich auf den Zugriff auf den nackten Körper, der der politischen Macht ausgeliefert ist. Er zeigt uns, dass die Grenzziehung zwischen Leben und Nicht-Leben, Mensch und Nicht-Mensch nicht klar festgelegt werden kann, wie sie zu sein scheint. Dies ruft nach einer souveränen Entscheidung, die Einheit schafft. Die Macht des Souveräns beruht wiederum auf der Entscheidungüber Leben und Tod. 

Im Gegensatz zu Agamben, der Gewalt als Wesen der Politik betrachtet, entwickelt Jürgen Habermas ein Konzept der Politik als Verwirklichung der Vernunft. Es handelt sich um die kommunikative Vernunft. Angesichts der gesellschaftlichen Problematik der Gegenwart wie die Fragen der Bioethik und die Gestaltung der globalen Strukturen, die Habermas als„Entgleisung der Moderne“ bezeichnet, plädiert er für die politische Gestaltung durch die kommunikative Vernunft, ohne die die ganze Gesellschaft zu entgleisen droht. Die kommunikative Vernunft schafft durch Diskurs unter Freien und Gleichen Grundnormen, nach denen unser Zusammenleben und Rechtssystem funktioniert. Die kommunikative Vernunft bietet Legitimationsquelle für das Recht. Das Habermassche Rechtsverständnis vermittelt System und Lebenswelt, leistet insofern die Integrationsfunktion für die moderne Gesellschaft, die alle einschließen will.

"2 Die abendländische Politik als Herrschaft über das „nackte Leben“ bei Giorgio Agamben (S. 137-138)

„Die gegenwärtige Politik erscheint mir als katastrophal, und deswegen sehe ich die Notwendigkeit, eine neue Schlüsselpolitik zu denken. Es geht mir nicht im Geringsten um apokalyptische Prophezeiungen, sondern um die Art und Weise, wie wir in der gegenwärtigen Zeit auf die Katastrophe, in der wir leben, reagieren können. Und die einzige Möglichkeit, die wir haben, die Gegenwart wirklich zu erfassen, ist, sie als das Ende zu denken.“ Giorgio Agamben, Literaturen 01 2001, S.19

2.1 Zu Person und Werk

1942 kam Giorgio Agamben in Rom, Italien, zur Welt. Seine Jugendzeit verbrachte er in der Heimatstadt Rom, wo er einige Schriftsteller wie Elsa Morante, Alberto Moravia und Pier Paolo Pasolini kennen lernte. Er durfte eine Nebenrolle in einem Pasolini-Film, den Apostel Philippus in ‚Das erste Evangelium nach Matthäus’ spielen. Bevor er sich für Philosophie interessierte, studierte Agamben Rechtswissenschaft. Nebenbei beschäftigte er sich mit Literatur und Philologie. Das Studium der Rechtswissenschaft übte großen Einfluss auf sein späteres philosophisches Denken, wie er schreibt: „Ohne die Kenntnis der Rechtskultur hätte ich wahrscheinlich niemals Homo Sacer schreiben können.“ Das Jurastudium schloss er Ende der 60-er Jahre ab.

Das Interesse an Philosophie entstand Ende der 60-er Jahre, als Agamben Seminare von Martin Heidegger in Provence im Sommer 1966 und 1968 hörte. Allerdings nicht der Seminarstoff, den er dort lernte, führte ihn zur Philosophie, sondern die persönliche Begegnung mit Heidegger. „Das Seminar war für mich eine wichtige Erfahrung, nicht aufgrund dessen, was ich dort lernte, sondern vor allem in der Begegnung mit Heidegger persönlich.“ Zur Zeit lehrt Agamben Philosophie in Verona und in den USA. Er ist der Herausgeber der italienischen Ausgabe der Schriften Walter Benjamins und entdeckte eine Reihe von dessen verloren geglaubten Manuskripten. Bisher erschienen u.a.""Kindheit und Geschichte. Zerstörung der Erfahrung und Ursprung der Geschichte"" (1978) und""Idee der Prosa"" (1987). Seit Ende der 80er Jahre setzte sich Giorgio Agamben vor allem mit politischer Philosophie auseinander. In diesem Zusammenhang publizierte er 1995 den ersten Band seines Homo Sacer-Projekts unter dem Titel""Homo sacer. Die souveräne Macht und das nackte Leben"". Es folgten seither""Was von Auschwitz bleibt. Das Archiv und der Zeuge"" sowie""Ausnahmezustand"". Im Bereich der Anthropologie erschienen 2003 die Werke „Das Offene. Der Mensch und das Tier“ und „Zeit, die noch bleibt“. Das letzte genannte Werk ist eine Auslegung über den Römerbrief. Im Bereich der politischen Philosophie üben die Denker wie Walter Benjamin, Carl Schmitt, Hannah Arndt und Michel Foucault großen Einfluss auf Agambens Denken.

2.2 Zu Grundstruktur der politischen Theorie von Agamben

Es geht in der politischen Theorie von Agamben, wie in der Homo sacer- Reihe dargestellt, um die Grundproblematik, wie sich das Recht auf das Leben bezieht, wie sich „nacktes oder bloßes Leben“ zu politischer Existenz, zoe zu bios verhält. Der Begriff des „bloßen Lebens“ bildet einen grundlegenden Horizont für die Gesamtkonstruktion von Agamben. Dabei zeichnet er das griechische Konzept des Lebens nach. Die Griechen kennen zwei unterschiedliche Begriffe nämlich zoe und bios für das Wort „Leben“. Zoe bedeutet die einfache Tatsache des Lebens, das allen Lebewesen (Tieren, Menschen, Göttern) gemeinsam ist. Bios bezeichnet hingegen eine Art und Weise des Lebens, kulturelles, politisches und soziales Leben. Aristoteles spricht zum Beispiel in der Nikomachischen Ethik von bios theoretikos und bios politikos, da es sich hier nicht um eine einfache Tatsache des Lebens, sondern um ein qualifiziertes Leben handelt."
Otto Gusti Ndegong Madung, geboren in Lengko Elar (Flores), Indonesien, 1970. 1999 Erlangung des Magistergrades der Theologie an der Philosophisch-Theologischen Hochschule St. Gabriel bei Wien mit dem Thema der Magisterarbeit Habermas und die Gottesrede. Habermassche handlungstheoretische Konzepte und Kategorien und deren theologische Relevanz . 2008 Erlangung des Doktorgrades an der Hochschule für Philosophie, Philosophische Fakultät SJ München.
Vorwort6
Inhaltsverzeichnis8
1 Politik und Gewalt: Ein Problemaufriss in einführender Perspektive11
1.1 Politik11
1.2 Gewalt15
1.3 Das Verhältnis von Politik und Gewalt als Schlüssel für die Interpretation20
1.4 Der Aufbau der Arbeit24
2 Die abendländische Politik als Herrschaft über das „nackte Leben“ bei Giorgio Agamben25
2.1 Zu Person und Werk25
2.2 Zu Grundstruktur der politischen Theorie von Agamben26
2.3 Logik der Ausnahme als formale Struktur der Politik bei Agamben27
2.4 Zur materiellen Struktur: Politik als die Herrschaft über das „nackte Leben27
3027
2.5 Zusammenfassung und Kritik69
3 Die Idee der deliberativen Politik und Gewalt bei Jürgen Habermas 73
3.1 Person und Werk73
3.2 Die politische Philosophie von Jürgen Habermas - aus der Gewaltperspektive gelesen77
3.3 Aufbau eines Verfahrens von Gleichheit und Freiheit in einer gewalttätigen Welt 3.3.1 Die Kolonialisierung der Lebenswelt, die kommunikative Vernunft und das Recht100
3.4 Zusammenfassung und Kritik127
4 Politik und Gewalt. Giorgio Agamben und Jürgen Habermas im Vergleich132
4.1 „Das Lager als nomos der Moderne“ versus Moderne als ein unvollendetes Projekt132
4.2 Die „anamnetische Ethik“ bei Agamben im Verhältnis zur Diskursethik bei Habermas141
4.3 Geschichtsphilosophie: Zwischen Teleologie und Dekonstruktion des Fortschrittsdenkens158
4.4Anthropologie: Der Antihumanismus bei Giorgio Agamben und der Humanismus bei Jürgen Habermas 4.4.1 Der Antihumanismus bei Agamben172
5 Fazit188
Anhang191
Literatur191