: Hilke Lorenz
: Kriegskinder Das Schicksal einer Generation
: Ullstein
: 9783843701860
: 1
: CHF 10.70
:
: Regional- und Ländergeschichte
: German
: 301
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Sie waren noch Kinder, und die Schrecken des Krieges waren ihr Alltag: Mit großem Einfühlungsvermögen schildert Hilke Lorenz das Aufwachsen inmitten von Flucht, Vertreibung, Bombennächten, Hunger und Tod. Ein wichtiges Buch zu einem Tabuthema, das eine ganze Generation und ihre Kinder und Kindeskinder prägte.

Hilke Lorenz, Jahrgang 1962, ist Redakteurin der Stuttgarter Zeitung. Im Ullstein Verlag sind ihr Bestseller Kriegskinder, Das Schicksal einer Generation (2003) und Heimat aus dem Koffer (2009) erschienen.

Vorwort


Den Frieden zu bauen ist schwer. Das weiß ich nicht nur aus meiner Arbeit auf dem Balkan. Denn der Krieg zerstört Infrastruktur – auch die seelische. Es ist eine langwierige Arbeit, diese Wunden zu heilen und wieder Strukturen für das Weiterleben zu schaffen. Mit diesem Wissen aus meiner langjährigen politischen Arbeit und der eigenen Lebensgeschichte schreibe ich dieses Vorwort. Ich will dabei nicht verhehlen, dass es für mich erst problematisch erschien, über die Lebensentwürfe anderer, nicht so stark in Anspruch genommener Altersgenossen, glaubwürdig zu schreiben. Schließlich hatten sie doch nicht die gleichen Chancen wie ich. Gewiss würde ich meine Sachkunde nicht verneinen, und auch die spezifischen Erfahrungen mit einer belastenden Vergangenheit und einer schwierigen Gegenwart kann ich nicht leugnen. Doch genügt das wirklich, um über die Situation eines anderen sachgerecht und nicht nur gefühlsorientiert zu urteilen? Ich bin da nicht sicher. Deshalb sind die folgenden Zeilen als ein Versuch und nicht so sehr als eine Bekundung von Gewissheiten zu verstehen.

Berichte ich also zunächst von mir. Ich bin1929 geboren, in einer Familie aufgewachsen, die bereits Anfang1933 in die Fänge des NS-Regimes gelangte, weil Vater wie Mutter schon vor der Machtpreisgabe der Weimarer Republik gegen Hitler Front machten (»Wer Hitler wählt, wählt den Krieg«) und deshalb sofort den Repressionsmaßnahmen der nun »braunen Führung« unterlagen. Gefängnis, Zuchthaus, Konzentrationslager waren die Konsequenzen.

Viele Jahre wuchs ich deshalb ohne die unmittelbare Einflussnahme des Vaters und eine längere Zeit auch ohne das eigentlich selbstverständliche Miteinander mit der Mutter auf. Ich wurde von den Großeltern erzogen, ohne wirklich zu begreifen, warum ich bis zu meinem zehnten Lebensjahr ohne die Fürsorge der Eltern auskommen musste. Ich war trotz alledem gut behütet, litt keine sonderliche materielle Not, sondern erfuhr, wie alle Kinder in unserem Wohnviertel, die normalen Lebensbedingungen jener Zeit. Eng war es, bescheiden ging es zu, doch auch die anderen hatten kaum besondere materielle Freuden. Für Neid auf andere wegen ungleicher Voraussetzungen gab es keinen Raum.

Kurz war dann die Zeit, in der ich mit den Eltern zusammenleben konnte, denn bald brach der Krieg aus und er bedingte wegen der damit verbundenen Belastungen wiederum eine Eingrenzung der Zeit für das jetzt möglich gewordene gemeinsame Zusammensein. Zudem stellte sich weiterer Nachwuchs ein und die Kleinen verlangten ihr Recht.

Krieg, das bedeutete1941 weg aus der von Bomben bedrohten Stadt, Kinderlandverschickung war das Ergebnis, und diese dauerte bei mir unter jeweils kürzeren Rückkehrpausen dann bis August1944. Es war eine Zeit, in der ein Miteinander in der Familie mehr Gastspiel als wirkliche Gemeinsamkeit bedeutete. Und die dann folgende Zeit war überschüttet von Fliegeralarmen, Bun