: Achim Peters
: Das egoistische Gehirn Warum unser Kopf Diäten sabotiert und gegen den eigenen Körper kämpft
: Ullstein
: 9783843700160
: 1
: CHF 12.60
:
: Gesundheit
: German
: 336
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Unser Gehirn ist ein egoistischer Despot. Kommt es in Versorgungsnot, können wir noch so entschlossen sein, eine Diät einzuhalten - unser egoistisches Gehirn wird etwas dagegen haben und seine eigenen Energieansprüche sogar gegen unseren Willen durchsetzen. Das hat der renommierte Hirnforscher und Internist Professor Dr. Achim Peters in weltweit einzigartigen Studien nachgewiesen. Bei Stress reicht die übliche Energie für unser Gehirn nicht aus - wir essen mehr, um es gut zu versorgen. Wenn wir uns aber an Dauerstress gewöhnen, kann das fatale Folgen haben: Wir werden dick und bekommen die überflüssigen Kilos nicht wieder los. Hier berichtet Peters erstmals, auf welchen Forschungen seine sensationellen Erkenntnisse fußen und wie das Gehirn der Schlüssel für erfolgreiche Therapien sein kann. Dieses Buch ist eine aufregende Entdeckungsreise zu uns selbst. Informieren Sie sich auch bei unserem Kooperationspartner www.diabetesDE.org.

Professor Dr. med. Achim Peters, Jahrgang 1957, ist Hirnforscher, Internist und Diabetologe. Er leitet die Klinische Forschungsgruppe 'Selfish Brain' an der Universität Lübeck.

Energie auf Bestellung –
eine Tasse Zucker täglich

Die Studien von Marie Krieger waren der erste Beleg dafür, dass sich unser Stoffwechsel in Notzeiten zugunsten des Gehirns radikalisiert. Mit anderen Worten: Der Kampf um Nahrung, den der hungernde Mensch gegen die Natur oder andere Menschen führt, vollzieht sich spiegelbildlich auch in seinem Inneren. Gekämpft wird dabei um den wichtigsten Rohstoff des Körpers: Zucker. Diese Kohlenhydratverbindung zirkuliert in den Blutbahnen in Form von Glukose, dem begehrtesten Energieträger des Stoffwechsels. Unter normalen Umständen nimmt ein Mensch pro Tag 200 Gramm Glukose zu sich. Dass unser Gehirn ein egoistischer Herrscher ist, der sich selbst zuerst bedient, wissen wir bereits. Man kann also vermuten, dass das Gehirn gerade beim Zucker den Löwenanteil für sich fordert. Aber wie groß ist dieser Teil, was gelangt noch in die anderen Organe?

Bereits in den 1940er Jahren entwickelten die amerikanischen Neurowissenschaftler Seymour Kety und Carl Schmidt ein Verfahren, durch das sie wichtige Einblicke in den Hirnstoffwechsel erhielten. Dazu legten sie Probanden einen Katheter in die Armarterien, um den Blutglukosegehalt vor der Passage durchs Gehirn zu bestimmen. Weitere Katheter wurden in beide großen Halsgefäße bis auf Höhe der Ohren eingeführt – eine Messstation, die das abfließende Blut nach seinem Weg durchs Gehirn passieren musste. Aus der Messung des Glukosegehalts im zu- und abfließenden Blut ergibt sich eine genaue Analyse der Glukoseausbeute des Gehirns. Allerdings birgt dieses Verfahren Verletzungsrisiken für die Versuchsperson und wird daher heute nur noch in Ausnahmefällen angewendet. Doch bereits in den 1950er und 1960er Jahren wurde auf der Grundlage der Kety-Schmidt-Methode ermittelt, wie viel Glukose in 24 Stunden im Blut umgesetzt und wie viel davon im Gehirn verbrannt wird. Die Ergebnisse beider Untersuchungsreihen waren verblüffend: Von den 200 Gramm Glukose, die ein Mensch täglich zu sich nimmt, beansprucht das Gehirn allein 130 Gramm für sich – das entspricht in etwa der gleichen Menge Haushaltszucker (das ist so viel, wie in eine nicht ganz randvoll gefüllte Kaffeetasse passt). Eine solche Tasse Zucker wird jeden Tag in unser Gehirn transportiert und dort verbrannt, damit wir denken, fühlen, entscheiden, träumen und unseren Körper kontrollieren können.

Aber wie kommt es, dass das Gehirn diesen hochenergetischen Stoff fast ausschließlich für sich beanspruchen kann? Was ist mit den Muskeln und anderen verbrennungsintensiven Organsystemen? Warum rebellieren sie nicht gegen diese »ungerechte« Energieverteilung? Auf der Suche nach einer Erklärung für dieses Phänomen konzentrierte sich die Forschung zunächst auf die Frage, wie die Energiebeschaffung bei Neuronen, den einzelnen Nervenzellen des Gehirns, abläuft.

Jede einzelne Nervenzelle kümmert sich selbst um die Logistik der eigenen Versorgung. Neuronen beziehen ihre Energie von sogenannten Astrozyten, das sind Zellen, die gewissermaßen wie Tankstellen im Hirngewebe funktionieren. Mit ihren sternförmigen Ausstülpungen docken sie auf der einen Seite an den Nervenzellen an, auf der gegenüberliegenden an den Kapillaren. Diese kleinsten Blutgefäße unseres Körpers transportieren den Kraftstoff Blut bis zur Zelle. Sowohl an den Kapillar- als auch an den Astrozytenwänden befinden sich Transportvorrichtungen, die Glukosemoleküle aufnehmen und weiterreiche