9 Zertifizierungen, Monitoring und Kampagnen (S. 221-222) In den bisherigen Kapiteln wurden verschiedenste Formen der Erwerbsregulierung behandelt, dieüber die Grenzen nationalstaatlicher Bestimmungen und Mechanismen hinausweisen. Dabei spielten die Konventionen der ILO und speziell die Kernarbeitsnormen als normativer und globaler Referenzpunkt eine besondere Rolle. Sie haben inzwischen Eingang in vielfältige internationale Verträge, in freiwillige Absichtserklärung von Unternehmen und auch in die zuvor behandelten IFAs gefunden. Das Kapitel 7über den europäischen Sozialen Dialog und die Euro-Betriebsräte hat gezeigt, dass erwerbsrelevante europäische Gesetze in einem komplexen Verfahren durch das europäische Parlament, die Europäische Kommission und die Vertreter der souveränen Mitgliedsländer verabschiedet und dadurch Kompetenzen zur Normenaushandlung und Festlegung im Hinblick auf spezifische Gegenstandsbereiche widerum an definierte Akteursgruppen subsidiär delegiert werden. In diesem Sinne sind durch die Richtlinien zum sozialen Dialog die europäischen Arbeitgeber- und Gewerkschaftsverbände autorisiert, autonom Vereinbarungen zu treffen oder Vereinbarungsvorschläge in die europäischen Normensetzungsprozeduren einzuspeisen. Im vorangehenden Kapitel 8 schließlich wurden die auf internationale Konzerne bezogenen Möglichkeiten der Erwerbsregulierung behandelt. Neben den unilateralen Aktivitäten der Unternehmensleitungen und der entsprechenden Gewerkschaften erwiesen sich die wiederum prozedural angelegten festen bilateralen Strukturen der Information, Konsultation und Mitentscheidung etwa durch Weltkonzernbetriebsräte als neues Regulierungsinstrument. Die im letzten Jahrzehnt immer bedeutsamer gewordenen Internationalen Rahmenabkommen wiederum sind feste verbindliche Verträge zwischen Unternehmensleitungen, internationalen Arbeitnehmervertretungsorganen und der entsprechenden internationalen Branchengewerkschaft (GUF). Alle bisher beschriebenen Strukturen und Mechanismen der internationalen Erwerbsregulierung beschäftigten sich vorrangig mit Verfahren der Aushandlung und Definition bestimmter Mindestnormen und mit der Festlegung bi- oder trilateraler Strukturen mit besonderer Betonung der prozeduralen Aspekte von Normensetzung und Aushandlungsprozessen.9.1 Erwerbsbezogene Zertifizierungen An vielen Stellen wurde bereits auf ein entscheidendes Defizit der bisher besprochenen Strukturen und Mechanismen der Erwerbsregulierung verwiesen: Zwischen der vergleichsweise generellen Definition materialer Normen (etwa der Kernarbeitsnormen der ILO oder weiterer Bestimmungen in IFAs) und der Festlegung eher prozeduraler Normen für deren Aushandlung undÜberprüfung klafft eine große Lücke: die Spezifizierung von Verfahren der Evaluation undÜberwachung der getroffenen Vereinbarungen. Hiermit ist ein wichtiger Aspekt des weiten Bereiches von Zertifizierungen, Labels und Monitoring angesprochen. Unter Zertifizierung kann ganz allgemein ein formalisiertes Verfahren verstanden werden, durch welches die Einhaltung bestimmter Standards für Produkte und Prozesse durch dafür autorisierte Organe gemessen und gleichsam‚amtlich‘ festgestellt sowie in der Regel durch ein Zeugnis oder Zertifikat bestätigt wird.