: Hajo Greif, Oana Mitrea, Matthias Werner
: Hajo Greif, Oana Mitrea, Matthias Werner
: Information und Gesellschaft Technologien einer sozialen Beziehung
: DUV Deutscher Universitäts-Verlag
: 9783835054929
: 1
: CHF 32.60
:
: Sozialwissenschaften allgemein
: German
: 254
: Wasserzeichen/DRM
: PC/MAC/eReader/Tablet
: PDF
Information - und Kommunikationstechnologien sind nicht nur ein fester Bestandteil der täglichen Lebens- und Arbeitswelt, sondern strukturieren auch den Weltzugang gesellschaftlicher Akteure. Der Band versammelt Beiträge aus den Technik- und Sozialwissenschaften zur Beziehung zwischen Information und Gesellschaft.

Dr. Hajo Greif, Dr. Oana Mitrea und Matthias Werner sind MitarbeiterInnen des Interuniversitären Forschungszentrums für Technik, Arbeit und Kultur (IFZ) in Graz und Klagenfurt. Dort befassen sie sich mit der Erforschung gesellschaftlicher Aspekte der Informations- und Kommunikationstechnologien. Ein Schwerpunkt ihrer Arbeit liegt in kooperativen Projekten mit TechnikwissenschaftlerInnen. Zugleich lehren die HerausgeberInnen an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt.
Vergesellschaftung durch Information (S. 23)

Arno Bammé, Wilhelm Berger und Ernst Kotzmann

Die Technik ist auf dem Wege, eine solche Perfektion zu erreichen, dass der Mensch bald ohne sich selbst auskommt.

Stanislaw Jerzy Lec

Vergesellschaftung

Formale Rationalisierung und kommunikatives Handeln gelten unter Soziologen neben dem Marktmechanismus als die grundlegenden Koordinationsmechanismen der modernen Gesellschaft. Kommunikation schafft und reproduziert den gesellschaftlichen Konsens, der in der Vormoderne normativ gesichert war. Das Prinzip der kommunikativen Koordination gewann für Sozialwissenschaftler allerdings erst recht spät theoriebildende Bedeutung.

Die Klassiker der Soziologie sprachen wenig über Kommunikation, aber viel von formaler Rationalisierung und von den Gesetzen des Marktes. Erst mit der Umfokussierung von einer handlungs- zu einer kommunikationsorientierten Wissenschaft, wie sie am prononciertesten wohl von Luhmann, aber auch von Habermas vertreten wird, reagierte die Soziologie auf den Wandel der gesellschaftlichen Koordinationsmechanismen.

Während Habermas dem erfolgsorientierten, zweckrationalen Handeln das verständigungsorientierte, das eigentlich kommunikative Handeln gegenüberstellt, begreift Luhmann Kommunikation in einem eher technischen Sinn als Einheit von Information, Mitteilung und Verstehen. Weder Intentionalität noch Sprachlichkeit sind notwendige Bestandteile seiner Begrifflichkeit. Einen Einblick über Gemeinsamkeiten und Unterschiede beider Ansätze gewährt Kiss (1987, S. 54 ff, 1990, S. 20 ff).

Heute wird diese mittlerweile selbst schon fast klassische Diskussion von Bemühungen überlagert oder sogar verdrängt, die zugleich traditionelle Grenzen zwischen Natur- und Gesellschaftswissenschaften aufheben wollen: Unter den Bedingungen der technologischen Zivilisation erweise sich eine nach wie vor getrennte Betrachtung von Natur und Gesellschaft als unangemessen. Beide Sphären seien in der realen Welt gesellschaftlicher Reproduktion längst zur Synthese zusammengeschmolzen, zur vergesellschafteten Natur geworden.

„Das Ozonloch ist zu sozial […], um wirklich Natur zu sein, die Strategie der Firmen und Staatschefs zu sehr angewiesen auf chemische Reaktionen, um allein auf Macht und Interessen reduziert werden zu können" (Latour 1998, S. 14). Wissenschaftliche Experimente haben die geschlossenen Räume der Laboratorien verlassen. Sie werden heute zum Teil im Maßstab 1:1 und in Echtzeit durchgeführt.

Die traditionelle Unterscheidung zwischen wissenschaftlichen Laboratorien, so Latour, in denen mit Theorien und Phänomenen experimentiert wird, und einer politischen Situation außerhalb, in der Nicht-Experten mit Werten, Meinungen und Leidenschaften agieren, sei obsolet geworden. Dieser Sachverhalt des Ineinander-Aufgehens zweier zuvor getrennt gedachter Bereiche führt zu Denkmodellen, in denen auch die anfangs skizzierten Koordinationsmechanismen der modernen Gesellschaft als quer zur klassischen Grenze von Natur und Gesellschaft liegend betrachtet werden können.

So entwickelt der Biologe Dawkins ein naturalistisches „Programm mit […] universalem Anspruch" (Greif 2005, S. 117). Allerdings schließt Dawkins nicht, wie Sozialdarwinisten oder Soziobiologen das üblicherweise tun, einfach per Analogie von natürlichen auf soziale Phänomene, sondern unternimmt den systematischen Versuch einer einheitlichen Erklärung unter Verweis auf ein gemeinsames Drittes: das Prinzip der Selbstreplikation.

Die Mechanismen der Replikation und Selektion, wie sie in der Natur der Gene festgelegt sind, gelten ihm als substratunabhängig: Die Bedingungen dafür, als Replikator zu fungieren, seien nicht an die Substanz der DNA-Sequenzen gebunden. Prinzipiell seien alle Dinge, die zu einer modifizierenden Selbstreplikation fähig sind, Träger des Kausalmechanismus ihrer Evolution.Die Mechanismen, die Gegenstand einer solchen Deutung sind, finden sich Dawkins zufolge nicht nur in der Natur, sondern auch in der Gesellschaft.
Geleitwort6
Inhalt10
Einleitung12
Zur Problemstellung: Information und Gesellschaft12
„Technologien einer sozialen Beziehung“15
Zu den Beiträgen16
Literatur20
Teil I: Technikphilosophische Perspektiven22
Vergesellschaftung durch Information24
Vergesellschaftung24
Information27
Information und Gesellschaft28
Technologische Enträumlichung und Verräumlichung30
Technologische Entzeitlichung und Verzeitlichung33
Technologie: Gesellschaft und Natur37
Literatur39
Die Henne, modernes Bewusstsein, das Ei moderne Technik?42
Teil II: Handlungsfähigkeit49
Information und technologische Handlungsfähigkeit50
Zum Begriff der Information50
Informationen, Technologie und Gesellschaft54
Technologische Handlungsfähigkeit57
Resümee68
Literatur70
Herausforderung künstlicher Handlungsträgerschaft.74
1 Einleitung74
2 Die Zuschreibung von Handlungsträgerschaft77
3 Der virtuelle Agent Max als Interaktionsteilnehmer81
4 Frotzelattacken als Spiel im Spiel83
5 Diskussion92
Literatur94
Anhang: Transkriptionskonventionen96
Teil III: Sicherheit und Privatsphäre98
Recht auf Privatsphäre.100
I. Einleitung100
II. Informationsanfall und Informationsbedürfnisse steigen101
III. Rechtfertigungsgründe103
IV. Rechtliche Rahmenbedingungen104
V. Tendenzen und kritische Würdigung122
VI. Schlussbemerkung125
Literatur126
Anhang: Abkürzungsverzeichnis128
Szenarien, d