Innovationssysteme Technologie, Institutionen und die Dynamik der Wettbewerbsfähigkeit
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Birgit Blättel-Mink, Alexander Ebner
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Innovationssysteme Technologie, Institutionen und die Dynamik der Wettbewerbsfähigkeit
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VS Verlag für Sozialwissenschaften (GWV)
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9783531913490
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1
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CHF 31,90
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Politikwissenschaft
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German
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276
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Wasserzeichen/DRM
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PC/MAC/eReader/Tablet
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PDF
Innovatio en entstehen im Kontext interaktiver Lernprozesse systemisch vernetzter Akteure. Im Zentrum strukturell und institutionell eingebetteter Innovationsnetzwerke, die an der Generierung und Diffusion von Innovationen beteiligt sind, stehen private Wirtschaftsunternehmen. Sie kooperieren vorrangig mit öffentlichen und privaten Forschungseinrichtungen, Bildungs- und Ausbildungseinrichtungen sowie mit Finanzdienstleistern. Historisch betrachtet sind Innovationssysteme zunächst auf nationalstaatlicher Ebene entstanden. Die Globalisierung führt jedoch zur Ausdifferenzierung lokaler, regionaler und supranationaler Arrangements.
Der Sammelband ist in drei Blöcke gegliedert. Der erste Block enthält deutsche Übersetzungen von Grundlagentexten des Innovationssysteme-Ansatzes. Im zweiten Block werden einzelne theoretische Aspekte vertiefend analysiert. Der dritte Block enthält Studien zur Ausdifferenzierung des deutschen Innovationssystems.
Prof. Dr. Birgit Blättel-Mink ist Professorin für Soziologie mit dem Schwerpunkt für Industrie- und Organisationssoziologie an der Goethe-Universität Frankfurt am Main.
Prof. Dr. Alexander Ebner hat eine Professur für Politische Ökonomie an der Jacobs University Bremen und lehrt als Affiliate Professor an der Grenoble Ecole de Management.
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Das „Nationale Innovationssystem"" aus historischer Perspektive
(S. 27-28)
Christopher Freeman
1 Einleitung: Das Nationale System des Friedrich List
Bengt-Åke Lundvall war – zumindest in der Erinnerung des Autors – der erste, der den Begriff des „nationalen Innovationssystems"" verwendete und daneben ein sehr originelles und anregendes Buch (1992) zu diesem Thema herausgegeben hat. Eigentlich ist dieser Begriff jedoch zumindest auf Friedrich List und sein Konzept des „Nationalen Systems der politischen Ökonomie"" (1841) zurückzuführen, welches genauso gut als „Nationales Innovationssystem"" hätte bezeichnet werden können. Lundvall und seine Kollegen wären die ersten, die dem zustimmen würden (und Lundvall selbst weist darauf hin).
List beschäftigte sich in erster Linie mit der Frage, wie Deutschland England überholen könnte. Er empfahl unterentwickelten Ländern (was Deutschland damals in Relation zu England auch war) neben der Protektion junger Industrien eine breite Palette an Politikmaßnahmen, welche Industrialisierung und Wirtschaftswachstum ermöglichen und beschleunigen sollten. Die meisten dieser Maßnahmen zielten auf das Erlernen und Anwenden neuer Technologien. Die rassistischen und kolonialistischen Töne in dem Buch standen jedoch in starkem Gegensatz zu dem internationalen und kosmopolitischen Ansatz der klassischen Freihandelsökonomen. Lists Überzeugung, dass Holland und Dänemark dem Deutschen Bund beitreten und wegen ihrer „Abstammung und ihres ganzen Charakters"" sogar die deutsche Nationalität annehmen sollten, liest sich etwas befremdlich in unserer heutigen Europäischen Gemeinschaft. Unabhängig davon hat List, trotz dieser unattraktiven Aspekte seiner Sichtweise, sicherlich viele aktuelle Theorien vorweg genommen.
Aus einem Überblick über ökonomische Entwicklungstheorien nach dem Zweiten Weltkrieg folgert die Weltbank, dass immaterielle Investitionen in Wissensakkumulation entscheidend sind – und nicht solche in physisches Kapital, wie es zeitweise geglaubt wurde (Weltbank 1991: 33-35). Um diese Sichtweise zu untermauern, wird in der Weltbank- Studie die „neue Wachstumstheorie"" (Romer 1986, Grossman/ Helpman 1991) zitiert. In Wirklichkeit hat diese so genannte neue Wachstumstheorie aber erst kürzlich begonnen, jene realistischen Annahmen in ihre neoklassischen Modelle zu integrieren, welche bei Wirtschaftshistorikern und neo-schumpeterianischen Ökonomen bereits als Gemeinplätze gelten. In der Tat hätte die Studie auch Friedrich List (1841) direkt zitieren können, der eine Textpassage bei Adam Smith wie folgt kritisiert:
„Allererst ist gegen dieses Räsonnement zu bemerken, daß Adam Smith dabei das Wort Kapital in derjenigen Bedeutung benutzt hat, in welcher es von den Rentiers oder Kaufleuten bei ihrer Buchführung und ihren Bilanzen benutzt zu werden pflegt. Er hat vergessen, daß er selbst in seiner Definition des Kapitals die geistigen und körperlichen Fähigkeiten der Produzenten unter diesem Terminus begreift. Er behauptet fälschlich, die Einkünfte der Nation würden bloß durch die Summe ihrer materiellen Kapitale bedingt."" (List 1841: 213)
Und weiter:
„Der jetzige Zustand der Nationen ist eine Folge der Anhäufung aller Entdeckungen, Erfindungen, Verbesserungen, Vervollkommnungen und Anstrengungen aller Generationen, die vor uns gelebt haben, sie bilden das geistige Kapital der lebenden Menschheit, und jede einzelne Nation ist nur produktiv in dem Verhältnis, in welchem sie diese Errungenschaft früherer Generationen in sich aufzunehmen und sie durch eigene Erwerbungen zu vermehren gewußt hat."" (ebd.: 155)
Lists klare Erkenntnis der Interdependenz von materiellen und immateriellen Investitionen klingt eindeutig modern."
Inhalt
5
Geleitwort
7
Geleitwort
9
Innovationssysteme im wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Diskurs
10
I. Innovationssysteme – Konzeptionelle Grundlagen
23
Das „Nationale Innovationssystem“ aus historischer Perspektive1
24
Technische Innovation und nationale Systeme1
48
Warum sollte man nationale Innovationssysteme und nationale Innovationsstile untersuchen?
66
Regionale Innovationssysteme, Cluster und die Wissensökonomie1
84
II. Theoretische Perspektiven des Innovationssysteme- Ansatzes: Governance, Globalisierung und soziale Interaktion
114
Governance von Innovationssystemen und die politische Ökonomie der Wettbewerbsfähigkeit
115
Innovationssysteme und „Varieties of Capitalism“ unter Bedingungen ökonomischer Globalisierung
138
Zum Verhältnis von Innovation und Raum in subnationalen Innovationssystemen
153
Innovationssysteme – Soziologische Anschlüsse
170
III. Dimensionen von Innovationssystemen: Innovation als Mehrebenenprozess
189
Urbane Innovationssysteme: Das Innovationsnetzwerk in Jena
190
Baden-Württemberg als Prototyp eines regionalen Innovationssystems: Eine organisationssoziologische Betrachtungsweise
220
Perspektiven des deutschen Innovationssystems: Technologische Wettbewerbsfähigkeit und wirtschaftlicher
240
WandelPerspektiven
240
Ein Innovationssystem der Europäischen Union? Potentiale und Grenzen supranationaler Innovationssysteme
258
Autorinnen und Autoren
271