: Florian T. Furtak
: Nichtregierungsorganisationen (NGOs) im politischen System der Europäischen Union
: Herbert Utz Verlag
: 9783831605187
: 2
: CHF 42.90
:
: Politik
: German
: 296
: DRM
: PC/MAC/eReader/Tablet
: PDF
Den Aktivitäten von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) kommt in den letzten zwei Jahrzehnten eine wachsende Bedeutung zu. Dies gilt auch für die NGOs, die an der politischen Willensbildung und Entscheidungsfindung der supranationalen Organe der Europäischen Union (EU) aktiv mitwirken. Die Studie, die in die theoretische Diskussion der Internationalen Beziehungen und der Verbandsforschung eingebunden ist und auf umfangreichen quantitativen und qualitativen Erhebungen basiert, untersucht die Strukturen, die Beteiligungsmöglichkeiten und den Einfluß der sich auf EU-Ebene in den Bereichen Entwicklungs- und humanitäre Hilfe, Menschenrechte und Umweltschutz engagierenden NGOs. Im Mittelpunkt stehen hierbei die Charakteristika und Variablen der Einflußnahme dieser Organisationen sowie deren Beziehungen zu den EUOrganen, insbesondere zur Europäischen Kommission und zum Europäischen Parlament. Nach Überlegungen zu den künftigen Beziehungen zwischen NGOs und EU wird – vor dem Hintergrund eines zu konstatierenden Demokratiedefizits der EU – auch die Frage aufgeworfen, inwieweit NGOs einen Beitrag zur Demokratisierung der EU zu leisten vermögen.

Florian T. Furtak, Diplom-Politologe, Diplom-Verwaltungswirt (FH), geb. 1967 in Heidelberg. Studium an der Fachhochschule für Öffentliche Verwaltung in Kehl, Studium der Politikwissenschaft, des Öffentlichen Rechts und der Neueren Geschichte an den Universitäten Freiburg und Marburg. Im Januar 2001 Promotion zum Dr. phil. am Institut für Politikwissenschaft der Universität Marburg. Seit August 2001 Geschäftsführer der SPD-Gemeinderatsfraktion Karlsruhe. Lehrbeauftragter für Europapolitik und Europarecht an den Hochschulen für öffentliche Verwaltung Ludwigsburg und Kehl.
9. NGOs und die Menschenrechtspolitik der EU (S. 177-178)

9.1 Die Menschenrechtspolitik der EU im Überblick

Die Menschenrechtsproblematik hat auch über ein halbes Jahrhundert nach der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte vom 10. Dezember 1948 nichts an Aktualität eingebüßt.265 Denn entgegen vielen Hoffnungen und Erwartungen treten Menschenrechtsverletzungen nicht weniger, sondern eher vermehrt auf. Zahlreiche Bürgerkriege, wie in Burundi und Ruanda, und die kriegerischen Auseinandersetzungen infolge des Zerfalls Jugoslawiens stellen die Menschenrechtspolitik der internationalen Gemeinschaft vor neue Herausforderungen. Auch in den EU-Staaten sind Probleme des Menschenrechtsschutzes an der Tagesordnung, so z.B. im Rahmen der Asyl-, Flüchtlings- und Einwanderungspolitik. Aus Anlaß des Menschenrechtsjahres 1998 beschloß die EU, künftig Jahresberichte zur Situation der Menschenrechte herauszubringen.

1999 legte der Rat zum ersten Mal einen Bericht für den Zeitraum vom 1. Juni 1998 bis 30. Juni 1999 vor, in dem erläutert wird, inwieweit die Fortschritte der Union im Integrationsprozeß eine Entsprechung im Bereich der Menschenrechte finden.266 Die Menschenrechtspolitik der EU weist zwei Dimensionen auf. Eine interne – zur Wahrung der Menschenrechte und Demokratie innerhalb der Gemeinschaft, und eine externe – zur Förderung der Menschenrechte und demokratischer Grundsätze in Drittstaaten. Während die Menschenrechtspolitik gegenüber Drittstaaten in den Bereich der GASP und damit in die dritte Säule der EU fällt, wurden durch den Amsterdamer Vertrag die Menschenrechte tangierenden Teile der Innen- und Justizpolitik, und zwar die Asyl-, Flüchtlings- und Einwanderungspolitik, in die erste Säule überführt und damit vergemeinschaftet – wenngleich mit einer fünfjährigen Übergangszeit.

Das Engagement der EU für Menschenrechte267 sowohl im Binnenverhältnis als auch in ihren Außenbeziehungen ist verhältnismäßig neu. In den Gründungsverträgen werden die Menschenrechte nicht explizit erwähnt, erst in der Präambel zur Einheitlichen Europäischen Akte (EEA) von 1986, also rund dreißig Jahre später, wird auf sie Bezug genommen. Im Vertrag von Maastricht verpflichtete sich die EU in Art. F Abs. 2 (jetzt Art. 6 Abs. 2 EUV) erstmals zur Achtung der Menschenrechte.

In Art J.1 Abs. 1 (jetzt Art. 11 Abs. 1 EUV) wurde die Entwicklung und Stärkung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sowie die Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten zu einem der Ziele der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik erklärt, Art. 130 u Abs. 2 (jetzt Art. 177 Abs. 2 EGV) verpflichtet die Gemeinschaft, bei der Entwicklungszusammenarbeit die Wahrung der Menschenrechte und Grundfreiheiten als allgemeines Ziel zu verfolgen. Der Vertrag von Amsterdam von 1997 beeinhaltet erstmals, in Art. 6 Abs. 1 EUV, eine Menschenrechtsgarantie:

Die Union beruht auf den Grundsätzen der Freiheit, der Demokratie, der Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie der Rechtsstaatlichkeit, diese Grundsätze sind allen Mitgliedstaaten gemeinsam." Art. 49 Abs. 1 EUV sieht dementsprechend vor, daß jeder Staat, der den Beitritt zur EU beantragt, diese Grundsätze achten muß. Neu im Amsterdamer-Vertrag ist ebenfalls, daß Mitgliedsrechte eines Staates aus dem EU-Vertrag ausgesetzt werden können, falls er die in Art. 6 Abs. 1 EUV verankerten Grundsätze schwerwiegend und anhaltend verletzt (Art. 7 Abs. 1 und 2 EUV).268 Ferner wurde erstmals vertraglich verankert, daß die Handlungen von Rat, Kommission und Parlament in Fragen der Menschenrechte und demokratischen Grundsätze der Kontrolle durch den Europäischen Gerichtshof unterliegen (Art. 46 lit.d EUV). Schließlich verpflichtete der Amsterdamer-Vertrag in Art. 29 die EU, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit zu verhüten und zu bekämpfen.
Vorwort7
Inhalt9
Abkürzungsverzeichnis12
Tabellenverzeichnis14
Abbildungsverzeichnis16
1. Gegenstand der Untersuchung, Forschungsstand, Erkenntnisziele17
2. Untersuchungsmethoden26
3. Theoretische Grundlegung37
3.1 Theorie Internationaler Beziehungen39
3.2 Verbandstheorie44
4. Begriffliche Grundlegung51
4.1 Die Europäische Union in der wissenschaftlichen Kontroverse51
4.2 Definition und Typen von NGOs61
5. Nichtstaatliche Akteure in der EU66
5.1 Typen nichtstaatlicher Akteure68
5.2 Institutionelle und rechtliche Rahmenbedingungen für das Wirken nichtstaatlicher Akteure71
5.3 Einflußwege nichtstaatlicher Akteure im EU-Mehrebenensystem75
6. Charakteristika und Variablen der Einflußnahme von NGOs auf EU-Ebene79
6.1 Netzwerke und EU-Vertretungen79
6.2 Quantitative Entwicklung82
6.3 Ressourcen85
6.4 Finanzierung89
6.5 Zielrichtung der Aktivitäten91
6.6 Mittel der Einflußnahme92
6.7 Strategien95
6.8 Zusammenfassung: Typische Merkmale von NGOs96
7. NGOs und die Umweltpolitik der EU99
7.1 Die Umweltpolitik der EU im Überblick99
7.2 Die EU-Organe im Bereich Umwelt101
7.3 NGOs auf EU-Ebene im Bereich Umwelt104
7.4 Beziehungen zwischen NGOs und EU-Organen – Beteiligungsmöglichkeiten der NGOs110
7.5 Die Förderung von Umwelt-NGOs durch die EU119
7.6 Das Fehlen eines Verbandsklagerechts122
7.7 Ergebnisse der Einflußnahme125
8. NGOs und die Entwicklungs- und humanitäre Hilfe der EU129
8.1 Die Entwicklungs- und humanitäre Hilfe der EU im Überblick129
8.2 Die EU-Organe im Bereich Entwicklungs- und humanitäre Hilfe136
8.3 NGOs auf EU-Ebene im Bereich Entwicklungs- und humanitäre Hilfe142
8.4 Beziehungen zwischen NGOs und EU-Organen – Beteiligungsmöglichkeiten der NGOs150
8.5 Die (Projekt-)Zusammenarbeit der EU mit NGOs162
8.6 Ergebnisse der Einflußnahme172
9. NGOs und die Menschenrechtspolitik der EU177
9.1 Die Menschenrechtspolitik der EU im Überblick177
9.2 Die EU-Organe im Bereich Menschenrechte181
9.3 NGOs auf EU-Ebene im Bereich Menschenrechte184
9.4 Beziehungen zwischen NGOs und EU-Organen – Beteiligungsmöglichkeiten der NGOs188
9.5 Förderung von Menschenrechts-NGOs im Rahmen der Europäischen Initiative für Demokratie und Menschenrechte193
9.6 Ergebnisse der Einflußnahme195
10. NGOs und EU: Eine qualitativ-quantitative Bestandsaufnahme200
10.1 Die Bedeutung von NGOs für die EU200
10.2 Die Einstellung von NGOs zur EU204
10.3 Das Verhältnis von NGOs und EU-Organen216
10.4 Der Einfluß von NGOs auf die EU-Politik228
11. Neugestaltung der Beziehungen zwischen NGOs und EU237
11.1 Zur Frage der Einführung eines Konsultativstatus237
11.2 Die Kommissionsinitiative zum Ausbau der partnerschaftlichen Zusammenarbeit mit NGOs244
12. Demokratisierung der EU durch NGOs?248
12.1 Zur Diskussion über das Demokratiedefizit der EU248
12.2 Das Demokratisierungspotential von NGOs255
13. Zusammenfassung, Schlußfolgerungen, Perspektiven259
Literaturverzeichnis273
Anhang287