&bdqu ;Beschaulicher Leser im gemütlichen Lehnsessel bei Kerzenschein ade? Welcome multimedialer Leser?" Lesen und die damit verbundenen Kompetenzansprüche wandeln und erweitern sich ständig, und es ist kein Ende abzusehen, um sich dieser zurzeit vieldiskutierten Kulturtechnik zu entziehen. Nicht abgestritten werden kann, dass der beschleunigte technologische Wandel des 21. Jahrhunderts das Lesen in seinen Sog gezogen hat und Veränderungen mit sich bringt, deren Ausmaße erst im Laufe der Zeit sichtbar werden. Demnach gilt es, nicht nur bedingt durch PISA, die notwendigen Lesekompetenzen unserer Gesellschaft zu klären. Welchen Einflussfaktoren unterliegt der Mensch? Internet, Hypertextstruktur, textbasierte Reizüberflutung. Was muss der mediale Leser wissen, um besonders mit dem Internet problemlos umgehen zu können? Welche Methoden wendet der Leser im täglichen Kampf mit den Textvariationen an? Wo kann Leseförderung ansetzen? Auf all diese Fragen versucht dieses Buch eine Antwort zu geben und richtet sich somit an alle neugierigen Leser, die den Spagat zwischen klassischem Buchlesen und dem neuen Medium Internet meistern wollen bzw. müssen.Die Autorin Maike Alberti, Erstes Staatsexamen: Studium für Gymnasiales Lehramt für die Fächer Deutsch und Erdkunde an der Georg-August- Universität Göttingen. Referendarin für Gymnasiales Lehramt am Studienseminar Hameln.
3. Lesekompetenz in der heutigen Gesellschaft (S. 26-27)3.1 Ein Konstrukt auf dem Prüfstand Das vorangegangene Kapitel hat bereits imÜberblick gezeigt, dass das Lesen in Abhängigkeit zu unterschiedlichen medialen Nutzungsmustern eine mehr oder minder konstitutive Rolle spielt. Dementsprechend wurde auch deutlich, dass sich die Fragestellung vom quantitativen Aspekt des Lesens z.T. auf den Qualitativen verlagert, d.h. auf die Frage ob sich die Art bzw. Qualität des Lesens in Interaktion mit den anderen Medien verändert (hat). Genau dies ist auch die Frage der Lesekompetenz in der Multimediageneration. Dabei setzt jedoch die Beantwortung dieser Frage- und Problemstellungen einen brauchbaren Begriff von„Lesekompetenz" voraus. Das Kriterium der Brauchbarkeit verdeutlicht dabei, dass es nicht nur darum gehen kann, eine theoretisch möglichst differenzierte Konstruktexplikation vorzunehmen. Vorausgehend müssen auch die empirischen Bedingungen des medialen Wandels im zwanzigsten Jahrhundert mitberücksichtigt werden, um ein Konzept von„Lesekompetenz" entwerfen zu können, das auch für die empirische Forschungüber die Relation zwischen Lesen und der Rezeption anderer Medien geeignet ist. Schließlich hat es seit Jahren Konjunktur von Lesekompetenz vor allem in Verbindung mit„Medienkompetenz" zu sprechen. Generell kann dabei gesagt werden, dass beim Kompositum„Lesekompetenz" das„Lesen" das geringere Problem darstellt (siehe Punkt 2.1). Vielmehr thematisiert der Kompetenzbegriff neben basalen, speziellen situations- und aufgabenorientierten Fertigkeiten der Kulturtechnik Lesen auch komplexere Fähigkeiten der Bedeutungskonstitution, die auch bestimmte Qualitätsstandards zu erfüllen in der Lage sind. Dies impliziert, dass der Kompetenz-Begriff mit normativen Präskriptionen verbunden ist und ein„morales" Konzept darstellt, das auf einem relativ hohen Abstraktionsniveau angesiedelt ist. Bei Kompetenzen handelt es sich um ein individuelles Potenzial dessen, was eine Person unter idealen Umständen zu leisten im Stande ist, wobei sich dieses Potenzial in konkreten Situationen als spezifisches Verhalten bzw. Handeln manifestiert. Das Konstrukt der Lesekompetenz umfasst sowohl das im Gegenstandsbereich Lesen relevante aufgabenorientierte Fertigkeits- als auch dasübersituative, generelle Fähigkeitsniveau im Sinne einer (relativ) zeitüberdauernden Handlungsdisposition. Allein durch diese Unterscheidung entwickelt das Konzept eine gewisse Multidimensionalität, weshalb man nicht von einem dichotomen Merkmal sprechen kann. Aus diesem Grund sind zur Beschreibung der zentralen Dimensionen oder Teilkomponenten dieses wertenden Kompetenzkonstrukts die Bestimmung der wichtigsten Einflussfaktoren auf seine Ausprägung und den Erwerb sowie die historisch-normativen Implikationen entscheidend. Erst so können qualitative Veränderungen und Funktionsverschiebungen des Lesens beschrieben und bewertet werden. Aus Interaktionsperspektive bedeutet dies außerdem, dass Kompetenz als Charakteristikum einer Person in einem (situationalen) Kontext gesehen wird, d.h., dass sich die Kompetenzändert, wenn sich der Kontextändert. (vgl. dazu näher Punkt 3.3.2 zur kulturwissenschaftlichen Lesekompetenzdefinition). Zum Kontext gehören dabei unter anderem neben den Mediencharakteristika auch die Textformen selbst, die letztendlich das Niveau der Lesekompetenz mitbestimmen. Aus dem medialen Wandel heraus ist man deshalb auch davon abgewichen von der literarischen Leseform auszugehen, dieüber lange Zeit den normativen Kern des Konstrukts„Lesekompetenz" darstellte. Heute verlagert sich dieser Schwerpunkt vor allem in Richtung auf das Informationslesen.86 Trotzdem bleibt Lesen unabhängig von der Art des gelesenen Textes ein konstruktiver Akt.